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🇦🇷 Buenos Aires, 11.&12. September 2025

  • Autorenbild: Charlotte Tina
    Charlotte Tina
  • 13. Sept.
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 15. Sept.

Donnerstag, 11. September

Stella und Bobby traf ich um 9:00 in der Lobby, wir liefen ein Stück nach Norden bis zum Park der nach General Jose de San Martín benannt ist, welcher 1812 Argentiniens Revolution gegen die spanische Herrschaft anführte, und dort zu dem Mahnmal zum Gedenken an die im bei uns als Falklandkrieg bekannten Ereignis Gefallenen. Ist das jetzt grammatikalisch richtig? 🤔

Das waren alles Kinder 😔 Junge Männer zwischen 18 und 25 ohne Ausbildung zum Krieg, ohne Ausrüstung, die in den Tod geschickt wurden, tragisch.

Auf der anderen Seite Maggie Thatcher, die eine Wahl zu gewinnen hatte und innenpolitisch vor einem Desaster stand.

Ich war zu der Zeit 11/12 Jahre alt, aber ich erinnere mich erstaunlicherweise noch vage an diesen Krieg um eine unwirtliche, nahezu unbewohnte Inselgruppe (es ging auch um Südgeorgien und die Sandwichinseln), die für England strategischen, für Argentinien emotionalen Nutzen hatte, aber auch die damalige Militärjunta brauchte einen „Sieg“. Wirtschaftlich stellten die Inseln einen Gewinn dar, die Bewohner selbst wollten übrigens britisch bleiben.

Die ganze Geschichte ist äußerst komplex und beginnt im frühen 18. Jahrhundert.

In der Wikipedia findet sich ein interessanter und informativer Artikel dazu.


Hier reagieren die Menschen verschnupft, wenn man Falklandinseln sagt, sie heißen hier Islas Malvinas, sind selbstverwaltet, stehen aber unter britischem Protektorat.


Auch der ehemals englische Turm gegenüber vom Park, der ein Geschenk Englands war und dessen Uhr eine kleine Nachbildung von Big Ben ist, wurde umbenannt.

Einen Teil dieser Geschichte erzählte mir Stella, die mich zu 10:00 zu meinem Termin zu einer E-Roller Stadtrundfahrt begleitete.


Ich war die einzige Teilnehmerin und hatte in Chris einen klasse Führer, der sich kenntnisreich, interessant und in gutem Englisch zu allen geschichtlichen, politischen, gesellschaftlichen und anderen aufkommenden Fragen äußern konnte und durchaus stolz auf sein Land ist.


Wir waren 4,5h unterwegs und redeten quasi ununterbrochen.


Wir fuhren zur grünen Lunge der Stadt, dem ehemaligen Hafen Puerto Madero, heute ein großes Naturschutzgebiet.

Dann standen einige Punkte auf dem Plan, die ich gestern schon gesehen hatte, aber nun bekam ich inhaltlichen Input dazu. Chris hatte, unvermeidlich, Mate dabei, heißes Wasser und die nette Tasche mit dem Strohhalm.

Ich mag das nicht, aber probierte es natürlich trotzdem, hätte ja anders sein können und war eine Frage der Höflichkeit.


Ich hatte mittlerweile großen Hunger und holte mir als Frühstückshappen einen Hot Dog, der hier gern mit Chips darauf gegessen wird (wie bei uns Röstzwiebeln).

Der Obelisk (das sind Bauten, die ich absolut uninteressant finde, kann mir jemand deren Reiz darlegen?) markiert die Stelle, an der die erste argentinische Flagge in den Boden gesteckt worden sein soll.


Aus der Ferne sahen wir eine große Favela, kein Ort für Touris wurde mir mehrfach gesagt. Auch kein Ort für Einheimische.


Im Park neben der juristischen Fakultät, einem beeindruckenden neoklassizistischen Gebäude, packte Chris eine kleine Flasche Fernet Branca und Cola aus und eine Thermoskanne mit Eis. Fernet Cola ist das Getränk neben Mate.

Und ich kann sagen, nach dem sechsten oder siebten skeptisch genommenen Schluck begann ich zu verstehen.


Das ist so beliebt hier seit Jahrzehnten, dass das Mutterschiff neben dem Standort in Mailand einen weiteren in Argentinien gebaut hat, dem größten Abnehmer, hier wird mehr verkauft als im Heimatland.

Es gibt dafür natürlich ein besonderes Glas, welches laut Chris die meisten Haushalte im Schrank stehen haben. In meiner Unterkunft steht, natürlich, auch ein Mate-Becher.

Chris verdeutlichte mir, wie wichtig Mate und Fernet sind im Sozialleben der Argentinier.

Beide Getränke werden immer geteilt. Ein Becher Mate macht beispielsweise selbstverständlich die Runde (mit dem einen Strohhalm durch den alle trinken) in der Uni oder auch im Bus oder der U-Bahn. Ich habe das jetzt auch schon oft gesehen, wie im Park ein Becher rumgeht, in Geschäften unter den Kassierern, einfach überall. Ein Glas Fernet Cola macht auf einer Party die Runde.


Und tatsächlich trinken so gegebenenfalls sehr viele Leute aus dem gleichen Gefäß und Fremde füllen aus der fast schon obligatorischen Thermoskanne mit heißem Wasser den Becher Tee immer wieder auf.

Das Teilen an sich ist wichtig und so kommen Leute auch ins Gespräch.


Den Strohhalm spülen zu wollen oder den Rand des Gefäßes abzuwischen gilt als ausgesprochen unhöflich und brüskierend. Grundsätzlich freundlich abzulehnen ist aber kein Problem.


Chris berichtete mir auch, wie unglaublich und ernsthaft abergläubisch viele Argentinier sind.

Wenn zB eine Verabredung ansteht, sich zu treffen um Fussball im Fernsehen zu sehen und man hat eine Jeans an und ein grünes Shirt und bringt Empanadas mit Huhn mit und die Mannschaft des Vertrauens gewinnt das wichtige Spiel, dann muss man für den Rest des Lebens in dieser Jeans, dem grünen Shirt und genau diesen Empanadas zu Spielen kommen. Und das hat er nicht wirklich mit Augenzwinkern erzählt.


In dem Park waren auch viele Töpfervögel (oder auch Rostvögel) unterwegs, die auf den 1.000 Peso-Scheinen abgebildeten hübschen National-Vögel.

Ich schaffte es gerade noch vor 15:00 in das Restaurant in einem ehemaligen Konvent, das Stella mir gestern empfohlen hatte.


Hier bestellte ich mein erstes Steak und musste feststellen, dass es das in Argentinien (ich habe nachgelesen, das ist hier einfach so) nicht medium gibt.


Der Kellner schaute völlig verständnislos und als er erfasst hatte, was ich wollte, bedeutete er mir dass das nicht möglich sei. Ausgeschlossen.


Standard ist well done, im Zweifel bekommt man es auf Wunsch blutig, aber nichts dazwischen. Schräg. Es war geschmacklich fein, aber eher zäh.

Pommes werden hier anscheinend gerne weich serviert. Das werde ich in Zukunft sicher meiden.

Als Dessert probierte ich einen Flan mit Dulce de Leche, das war schon sehr üppig.

Alles gut, ich bin in der Ausprobieren-Phase und freue mich schon wieder auf meine Salate, sobald ich mit dem Auto unterwegs bin.

Nichtsdestotrotz waren die Atmosphäre und das Ambiente ganz wunderbar.

E-Roller zu fahren war übrigens lustig, mein erstes Mal.


Freitag, 12. September

Morgens stiefelten wir zur Gassi-Runde los, Stella zeigte mir eine Straße mit netten Galerien und einen Blumenladen, in dessen Keller ziemlich versteckt und unbeschildert eine Bar ist; das hatte einen gewissen Speakeasy-Charakter. Leider war sie natürlich morgens noch nicht geöffnet.


Ich kam auch an einem Laden vorbei der sich das Lebensgefühl für den Gaucho von Welt versilbern ließ. Edles Zubehör, Schuhe

und Kleidung für den anspruchsvollen Mann mit Pferd/Kuh. Später fielen mir weitaus mehr Läden mit solch einem Sortiment auf.


Zum Frühstück probierte ich eine Art Croissant Monsieur.

Ebenso wie Pommes werden Croissants hier sehr weich bevorzugt und sind ziemlich süß. Das hat eher was von Milchbrötchen. Die werden belegt mit Schinken, Käse und Tomate. Nicht mein Fall diese Kombination aus süß, labberig weich und herzhaft. Aber eine wunderschöne Bäckerei.


Positive Feststellung nach drei Tagen: die Argentinier sind verfressen und Süßschnäbel.

Stella musste mit Bobby zurück, ich lief zum Friedhof Recoleta.

Der ist nicht nur berühmt weil er eine kleine Totenstadt ist, sondern weil hier auch viele Berühmtheiten bestattet sind, auch Eva Duarte de Perón, die im Land verehrte Schauspielerin und Präsidentengattin.

Dieses Gelände ist ziemlich groß, manche Mausoleen sind neu, sauber und modern, andere sehr alt und schon fast zerfallen, dabei oft anrührend.

Manche haben eine ganz unwirkliche Aura, wie Filmrequisiten.

Einige sind ganz individuell gestaltet, bei anderen wiederholen sich Elemente („möchten Sie das Modell Buntglasfenster mit Jupp?“).

In vielen sieht man eine Treppe, die offenbar in einen kleinen (?) Keller führt-gruselig!


Die jüngste hölzerne Urne in Form einer

kleinen Kiste die ich erspäht habe war von Mitte des Jahres, also schaffen es ganz ehrgeizige oder reiche oder wichtige immer noch dort hin.

Ich habe zum ersten Mal Eintritt für einen Friedhof bezahlt, 20.100ARS, heute 12,69€.

Zurück ließ ich mich treiben, trank einen Kaffee und dann hatte ich in den letzten Tagen viele kleine Restaurants gesehen, die nur mittags mit einem sehr großen und immer appetitlich aussehenden Buffet öffneten, fast immer nur zum Mitnehmen.

Ein solches Lokal lockte mich mittags, ich orientierte mich an der asiatischen Ecke und obwohl es kalt war (anscheinend dazu gedacht, auf Arbeit in die Mikrowelle gestellt zu werden) war es bislang das leckerste Essen und zudem das günstigste. Es nicht rasend viel, aber ich wurde satt, die knapp 300g kosteten 2,84€.

Ein Frappuccino bei Starbucks hingegen 5,43€. Die Preise hier sind schwer zu verstehen.

Die Männer in dieser Gegend sind größtenteils so angenehm, was für eine wunderbare Abwechslung!


Hier knallt einem keiner die Tür vor der Nase zu oder versucht, sich vorzudrängeln, höchstens, um mir die Tür aufzuhalten. Die sind hier chevaleresk, aufmerksam und höflich. Einer lief mir versehentlich vor die Füße, nichts passiert, der war aber völlig aufgelöst und entschuldigte sich drei Mal. Ich liebe es.


Es gibt viele Hundeausführer in der Stadt, manche sind mit 15 Tieren unterwegs, das ist für die (Hunde) ganz sicher keine Freude.


Aber alle Hunde die mir begegnen sind freundliche, unfassbar verfressene, hochprofessionelle Bettler

und vollkommen desinteressiert an dem, was ihr Mensch sagt. Die laufen auch meistens alleine durch die Gegend und wirken sehr geschäftig und selbstständig.

Die meisten Leute auf der Straße lächeln die zahlreichen Tiere an, sehr sympathisch.


Was noch auffällt sind die vielen orange-weißen Schulbusse, die morgens und ab mittags das Stadtbild mit prägen.


Es gibt einige Geschäfte, die Thermoskannen anbieten, Thermos Matebecher und anderes stylisches Zubehör. Klar, der Markt ist ja da.

In den Vierteln der Innenstadt gibt es zahllose tolle Läden mit Mid Century- und auch Art Deco-Möbeln und -Lampen, ich könnte mich dusslig kaufen. So schöne Sachen auf einem Haufen in so gutem Zustand, haaaaben wollen!!!


Übrigens habe ich mich hier noch nicht ein Mal unsicher gefühlt oder bedroht oder was auch immer. Die „Bedrohungslage“ ist gefühlt ähnlich wie in Berlin, es gibt Ecken mit extrem aufdringlichen Bettlern, Verkäufern, unangenehmen Drogenabhängigen, ansonsten schleiche ich aber auch zu Hause nicht ängstlich durch die Gegend, also das Gerede von wegen mutig sein und so ist wirklich übertrieben (ich klopfe in diesem Land wohl besser auf Holz🤣).


Kein vernünftiger Mensch wird an einem Touri-Hotspot in der Menge sein Portemonnaie aus der ungesicherten Hosentasche ziehen und offen die Hunderter durchzählen, hm?


Zudem machen die meisten Leute hier weniger den Eindruck von Wegguckern als in Deutschland. Hier wird älteren und oder behinderten Menschen in der Öffentlichkeit geholfen, es wird Platz angeboten, stehen geblieben und geguckt, ob jemand Hilfe benötigt, unaufdringlich und geduldig.


Das habe ich in nur drei Tagen schon mehrfach beobachtet, auch bei Stella.

Ich kann mich nicht erinnern, wann ich ein solch normales und gesundes Sozialverhalten von Deutschen das letzte Mal in Berlin erlebt habe. Wenn, dann von türkisch- oder arabisch-stämmigen Menschen.


Auf dem Balkon machte ich wieder Kaffeepause, dann wechselte ich noch Geld. Dafür googelte ich nach einer Wechselstube mit sehr guten Bewertungen und bekam dort für den Euro 1.689ARS, also 109 mehr als gestern. Auf 150€ immerhin für gute 10€ mehr als zuvor, als ich nur 50€ gewechselt hatte um erst mal zu schauen wie das so läuft hier mit dem „blauen Dollar“.


Für die Abendvorstellung hatte ich mir für ein Konzert (Haydn und Bruckner) der Philharmoniker von Buenos Aires im Teatro Colón vorab schon ein Ticket gekauft.


Die Oper ist auf der Liste der renommiertesten Häusern an achter Stelle weltweit.

Ein schönes Konzert, besonders Bruckner gefiel mir, für mein Dafürhalten haben die hervorragend gespielt und ich habe zum ersten Mal eine Frau auf dem Dirigentenpult gesehen.


Das Haus selbst ist beeindruckend. Der Saal ist groß und prachtvoll und hat eine sehr schöne Akustik.


Ich schlenderte durch die Frühlingsnacht zurück und überlegte, was ich im (nur) Handgepäck mitnehme.


Morgen dann ein erster Ortswechsel 😎






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Gast
14. Sept.
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Hi Tina, danke für den detaillierten Bericht. Have fun HG b

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