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🇦🇷 Villa Mercedes-Junin-Francisco Alvarez-Buenos Aires, 16.-22.10.2025

  • Autorenbild: Charlotte Tina
    Charlotte Tina
  • vor 5 Stunden
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 2 Stunden

Donnerstag, 16.10.

Ich fuhr bis Villa Mercedes. Den Ort zeichnet nichts aus, außer dass er die schönste Unterkunft mit gutem Preis bot in sehr weiter Umgebung.

Richtig schön, mit Garten und Pool, eine Oase der Ruhe.

Leider gab es auch hier wieder eine Diskussion um den bei booking gebuchten Preis.


Der Tag war noch sehr schön und sonnig, ich genoss die Ruhe im friedlichen Garten.


Der zentrale Raum war die Gemeinschaftsküche und hier bekam ich einen Einblick in das Sozialverhalten der Leute, die außer mir alle aus einem Umkreis von bis zu 400Km kamen.


Meine Fanta wurde aus dem Kühlschrank genommen und mein Wein getrunken. Darauf angesprochen erntete ich Schulterzucken. Als ich darum bat, das neu zu besorgen, kam nur „no comprende“.

Die anderen Gäste kochten und sauten dabei viel ein, alles landete in der Spüle und auf der Arbeitsplatte, so dass man das auch am nächsten Morgen noch nicht benutzen konnte.

Grundsätzlich wurde nichts gespült, sondern alles stehen gelassen.

Fand ich unangenehm, aber das ist vermutlich wieder eine der schrecklichen deutschen Eigenschaften. Das war wie in einer WG früher in Berlin, SO36.

Der Freitag war verregnet, das hatte auch etwas.

Ich konnte den Vermieter überzeugen, den Preis neu auszuwürfeln, von 78€ (die der Ausgangspunkt für den Last Minute-Preis waren) auf 48€, so buchte ich eine weitere Nacht.


Ich musste ja meine Pufferzeit nett umwidmen, die ich für ernstere Pannen einkalkuliert hatte.


Der Samstag war wieder sonnig und schön, ein weiterer Ruhetag. Ich buchte die drei Unterkünfte bis zum Tag des Flugs nach Ushuaia. In nun noch drei Etappen reise ich nach Osten bis zurück an den Atlantik.


Es gibt hier einige Milchprodukte, die in unglaublich vielen Variationen im Kühlregal stehen und mehrere Meter einnehmen.

Hier gibt es keine Crème fraîche, keinen Sauerrahm, keine saure Sahne.


Ich war neugierig und investierte ein paar Pesos.

Es gibt Schlagsahne, die viel stärker aufrahmt als unsere, Crema de Leche.

Es gibt Käsecremes zuhauf, die anstelle Butter genommen werden. Und vermutlich für andere geheimnisvolle Dinge. Wobei das nicht Käse im Sinne von Gouda bedeutet, sondern Frischkäse mit Sahne.

Es gibt sie aber auch als Variante mit Käsegeschmack.


Casan Creme ist ganz seltsam (für mich). Sehr fest, wenig Fett, keine Ahnung, was man damit macht. Ein kalorienarmer Frischkäse mit der Konsistenz von Beton.

Ich habe weiter versucht einen ungesüssten Joghurt zu finden, der nicht schleimig ist. Erfolglos.


Ich haue in die Testbecher immer ganz viel Knoblauch und Salz rein, so wird er es eine Art Dressing, das durchaus lecker schmeckt.

Am Sonntag brach ich früh auf nach Junin, 440Km.


Meine Unterkunft war ein kleines Haus im französischen Kolonialstil (so die Vermieterin).

Es war schräg. Seltsam, charmant, spooky (und wirklich in dem Sinne), schön und leider nicht allzu sauber.


Die Türen der Vitrinenschränke waren zugeschraubt.

Zwei Zimmer waren verschlossen. Die Küche machte den Eindruck, als hätte vor vierzig Jahren das letzte Mal jemand dort gekocht.

Es gab nur einen Topf.


Die Geräte waren durchweg aus dem letzten Jahrhundert, einige sicher aus den 50ern.


Der Garten war besonders hübsch und hatte einen kleinen Pool. Die alten Fliesen waren sehr schön.

Ich improvisierte ein Hühnerfrikassee, das erstaunlich gut gelang.


Beim Essen blieb ein Stück Huhn an einer Backen-Brücke hängen und zog sie hoch und ab. Na super.

Dinge die man unbedingt braucht an einem Sonntag in einem Land, in dem man sich kaum verständigen kann und wenn man drei Tage später 300Km entfernt in ein Flugzeug steigen muss das einen zu einem Schiff bringt, mit dem man drei Wochen jenseits jeglicher Zivilisation ist.

Einfach perfekt.


Aber es war immerhin nicht Samstag, positiv denken.


Laut Google gab es vier Zahnärzte in Junin, einer hatte sogar eine WhatsApp-Nummer online, die ich gleich anschrieb.


Es wurde etwas kompliziert, aber am Montag hatte ich schließlich einen Termin um 13:00.

US$50 oder 75.000ARS fürs neu Zementieren. Ein Argentinier hatte in einer Bewertung vor einem Jahr geschrieben, er habe 15.000 gezahlt. Inflation oder Ausländeraufschlag oder Fehlinfo?


Die Brücke saß aufgrund einer gut gemeinten Menge Zement etwas zu hoch, aber der Mann war so unglaublich freundlich, eine Freude.


Er wollte dann US$100, weil eine Brücke ja mehr ist als eine Krone, ruderte aber zurück (kann ich so furchteinflössend gucken? Mal ehrlich!), das wäre gratis, weil ich in seiner Stadt zu Besuch sei.

Akzeptiert.


Ich schaute mir die Stadt an, 100.000 Einwohner laut dem Odontologen, und befand sie für sehr hübsch.

Dann, das wollte ich schon immer mal machen, reinigte ich den Pool. Es gab im Grillraum ein Netz, das sah aus wie eines zum Fangen von Schmetterlingen, damit zog ich langsam um das Becken. Wie Claudia sagte, kenne auch ich das nur aus amerikanischen Filmen, das wäre auch erledigt auf der im Leben erleben-Liste. Und die Miezen fanden es auch besser so.

Abends zog ich los und holte Pizza. Es gibt riesige Teile, man bestellt eine ganze, halbe oder viertel.

Der Teig war ziemlich dick aber sie war, für eine Pizza, ganz gut, hätte er nur nicht zum Schluss die halbe Flasche Olivenöl darauf gekippt. Kostete 4,80€.

Am Dienstag fuhr ich in fast einem Rutsch die 220Km zur letzten Station und hatte in jeglicher Hinsicht riesiges Glück.


Erst landete ich in dem schönsten Supermarkt von ganz Argentinien, alles Obst und Gemüse dort war ein Traum.


Ich hätte heulen können, dass ich nur eine Tomate brauchte.


Dann meine Unterkunft: ein kleines Häuschen, sehr schön und gepflegt, unglaublich herzliche Gastgeber, Laura und Marcelo, dann auch noch eine Katzenmama mit sechs der süßesten Babies, die die Augen gerade erst auf bekamen.

All das in einem riesigen, gepflegten Garten mit Palmen, Pool und Rosen.

Sie brachten mir einen Kärcher Staubsauger, einen Hochdruckreiniger, das Auto sah nach der Fahrt schon schlimm aus, so konnte ich es nicht zurückgeben. Innen war alles überzogen mit einer feinen Schicht rötlichem Sand, außen mit einer Mischung aus ebendiesem Sand, Schlamm und haufenweise Insektenmatsch.


Als ich fertig war, luden sie mich auch noch zum Essen ein, Asado und Salat und eine patagonische Kräuterlimonade, die original wie Fernet Cola schmeckte, aber alkoholfrei war, fand ich sehr lecker.


Marcelos Mutter ist Deutsche, aus der Lausitz, vor vielen Jahrzehnten ausgewandert. Er rief sie an per Videocall und drückte mir das Handy in die Hand.

Das war nett, ich hätte gern länger mit ihr gesprochen und sie über ihr Leben ausgefragt, aber wir begannen zu essen.


Marcelo spricht kein Deutsch, ebensowenig wie seine drei Geschwister, weil sein Vater es nicht lernen wollte, aber auch nicht wollte, dass hinter seinem Rücken bzw. in seiner Anwesenheit über ihn gesprochen werden könnte ohne dass er es verstand.


Es waren noch zwei Kollegen von ihm dabei und Marcelo übersetzte freundlicherweise die Inhalte grob, die sie miteinander besprachen.

Sie konnten erst mal alle nicht glauben, dass ich die ganze Strecke gefahren bin und nicht zwischendurch geflogen. Und alleine. Ja. Ungläubiges Lachen, eine häufige Reaktion.


Ich sortierte aus und es kam eine Menge zusammen. Laura übernahm die Sachen dankenswerterweise.


So hatte ich noch genug für einen Happen zum Abendbrot und zum Frühstück.


Den Rest des Tages verbrachte ich am und im schönen Pool unter Palmen und war mir sehr bewusst, dass ich am übernächsten Nachmittag bei 0° aus dem Flieger steigen würde, 18 Tage in noch kälteren Gefilden unterwegs sein würde (Pinguine!!!!!!!!!!!!!!🐧🤩), dann einen Nachmittag und eine Nacht in Buenos Aires in den Sommer käme, um sodann in Frankfurt im beginnenden deutschen Winter zu landen.


Also sog mein Körper gierig Sonne ein zwischen den blühenden Rosen und den vielen verschiedenen zwitschernden Vögeln.


Abends machte ich aus einem Rest Mehl, Milch und drei Eiern noch zwei Eierkuchen. Einen fürs Frühstück, auf einen Teller gelegt zum abkühlen.


Später ging eine Mieze rein. Morgens wollte ich frühstücken. Teller leer 😂 Ich fand aber den halben, angeknabberten Rest noch. Na ja, sie war sehr dünn und hatte sechs Babies zu säugen, gönnte ich ihr natürlich.


Mittwoch, 22.10.

53Km bis zur Autovermietung am Flughafen Jorge Newbery in Buenos Aires.


Vielleicht eine Gelegenheit, das Verkehrsverhalten in kurzen Sätzen zu beschreiben.


Gestern fuhr ich mit 130 auf der Autobahn. Auf dem Seitenstreifen kam mir ein Radler entgegen. Völlig normal.

Fußgänger haben grundsätzlich keine Rechte. Meistens gibt es eine Ampel für den fahrenden Verkehr, aber keine für Fußgänger. Sie orientieren sich an denen für die Autos. Das ist in Buenos Aires etwas anders, aber auch dort häufig so.


Es gibt so etwas wie Zebrastreifen zuhauf, die aber nur Fußgängerüberwege markieren. Kein Autofahrer hält an. Keiner. Fußgänger haben zu warten. Und die warten auch ganz geduldig.


Überholt wird nach dem Motto „no risk no fun“. In ansteigenden Kurven, vor Kuppen, gern einen LKW mit 24m/Überlänge (davon gibt es recht viele).


In einer Reihe von Autos hinter einem langsamen LKW beginnt selbstverständlich der hinterste, zu überholen. Dann der dritte.


Blinken ist für Schwächlinge.


Wenn Du auf einer Straße unterwegs und seit 50Km niemanden mehr begegnet bist und hinter Dir sieht es ähnlich aus, aber ein Auto taucht hinter Dir auf und wird Dich sicher irgendwann überholen wollen, dann kannst Du davon ausgehen, dass er sich erst einmal eine Weile maximal zwei Meter hinter Dir bei 110Km/h an Deine Stoßstange setzen wird.


Wenn er überholt, dann schert er ebenfalls maximal zwei Meter vor Dir wieder ein und reduziert seine Geschwindigkeit.


Auf vollen Autobahnen oder Mautstrassen gilt das Recht des Stärkeren. Hier wird auch gern die Lichthupe als Lichtorgel eingesetzt, um das zu verdeutlichen.


Diese gut 50Km rein in die Stadt waren ganz ehrlich das Schlimmste, was ich seit Monaten erlebt habe.


Die fahren teilweise wie die Wahnsinnigen. Überholt wird überall, man kann sich auch in zu kleine Lücken quetschen, es wird gehupt, vollkommen durchgeknallte Zweiradfahrer tauchen plötzlich in dem schmalen Spalt zu einem LKW auf im toten Winkel, es war unglaublich stressig. Aber anscheinend nur für mich.


Die Autobahn war 12spurig, das war ähnlich schrecklich wie in Toronto.


Wider Erwarten war die Autovermietung handzahm. Ich warte darauf, dass noch etwas kommt, denen traue ich nicht über den Weg.

Sie fragten mich ganz ungläubig, ob ich wirklich mit ihrem fotografierten und von mir ausgedruckten Formular durch Chile gekommen wäre. Profis.


Ich fuhr mit dem Taxi zu meinem Appartement, stritt mit dem Taxifahrer, der aggressiv mehr Trinkgeld forderte und ließ ihn schließlich stehen. Frechheit. Unangenehm bedrohlich. Meinen manche Männer, alle Frauen liessen sich von so einem Verhalten einschüchtern?

Ich sah ganz kurz Stella, deren Mutter krank ist, weshalb sie keine Zeit hatte, dann konnte ich meinen Termin im Nagelstudio vorlegen, Gottseidank! Es sah schon nicht mehr schön aus. Jetzt ist es drei Wochen jenseits jeglicher Zivilisation-tauglich.

Danach lief ich drei Stunden durch Straßen, die ich noch nicht kannte. Und sah wieder viele schöne Fassaden, tolle riesige Türen, hübsche und einladende Schaufenster.


Ich war in der Kathedrale von Buenos Aires, wirklich groß, die das Grab von General Martín beheimatet.

Ich aß einen richtig guten Burger bei Mostaza, der argentinischen Burgerkette. Sehr lecker.


Ich benötigte mal wieder Klebecover für meine Handykamera. Im ersten Laden sagte die Verkäuferin, 20.000 Pesos. Ich hab gelacht und gefragt, ob sie das ernst meint. Abschätziger Blick, keine Antwort. Ich hab die Frage wiederholt, blödes Grinsen. Tschüss.


Im nächsten Laden wollten sie 7.000 haben, identisches Produkt.

Von dieser Abzocke habe ich die Nase gestrichen voll.

Ich bekomme ja fast täglich mit, dass Einheimische für das gleiche teilweise ganz erheblich weniger zahlen müssen als ich.


Ich bin in 38 Tagen 9.227 Kilometer gefahren, weniger, als gedacht.

Gut, dass ich nach Iguazú geflogen bin.


Und jetzt: Beitrag online stellen, Koffer umpacken für den Flug morgen, Sandalen rein, Wollsocken und Daunenjacke raus, duschen, Uber bestellen und dann diesen vollen Tag mal Revue passieren lassen.


Der Roadtrip ist zu Ende, morgen beginnt der zweite Teil des Abenteuers Argentinien, die Expeditionsschiffsreise zu den Falklandinseln und Südgeorgien. Zu den Pinguinen.






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