🇦🇷 El Chaltén-Gobernador Gregores-Rio Mayo-Esquel-Bariloche, 5.-8.10.25
- Charlotte Tina
- 9. Okt.
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 2 Tagen
Sonntag, 5.10.
Es arbeitete in mir. Ich war ja den „falschen" Trail gelaufen, auch wenn der mir sehr gut gefallen hatte. Ich gebe so ungern auf bzw. lasse Dinge unerledigt, das ist nicht meins.
Ich beschloss also, früh aufzustehen und den Weg zum zumindest ersten Aussichtspunkt des Cerro Torre zu gehen; und den Einstieg machte ich kostenlos dort, wo der Weg früher begann, bevor sie angefangen haben, die argentinische Wirtschaft durch Verarsche von Touristen in Gang setzen zu wollen. Geheimtip meines Vermieters.
Um 8:00 und bei -5° zockelte ich los, die Pfützen und Bächlein waren gefroren, kein Mensch war unterwegs, die Sonne schien.
Ein herrlicher Morgen.
Ich fand den Weg noch schöner als den des Vortages, aber mindestens so anstrengend. Man muss über Felsen und große Steine krabbeln, Wurzeln übersteigen und Überflutungen umschiffen.
Nach vier Kilometern/1,5h erreichte ich mein Ziel. Tolle Aussicht.
An dem Punkt hatte ich Blut geleckt und wäre gern weiter gelaufen, aber: es sollte am späteren Mittag zuziehen und regnen (auch die nächsten Tage), dafür war ich nicht angezogen.
Ich hatte nur einen halben Liter Wasser dabei, einen Apfel und eine Handvoll Nüsse. Wenig für 8h wandern.
Ansonsten hätte ich es gemacht und doch noch eine Nacht dort verbracht.
Ich ging zum Bäcker, holte mir eine Empanada und fuhr los nach Gobernador Gregores.
Würde ich die letzten Tage neu planen können, würde ich nur eine Nacht in El Calafate verbringen, reicht völlig.
Gletscher anschauen und dann direkt nach El Chaltén, dort drei oder auch vier Nächte und wandern, auch die lange Strecke.
Aber los.
Die ersten 200Km lief alles prima, dann begann plötzlich eine Schotterpiste.
Nach 30Km hatte ich jegliche Hoffnung auf ein Leben ohne Rütteln aufgegeben.
Die nächsten 45Km gaben mir recht.
Es gibt so unterschiedliche Arten von Schotter, Kies, sandigem Geröll, man glaubt es kaum bevor man nicht das Vergnügen hat, all diese Untergründe zu befahren.
So wie die Schotten die meisten Wörter für Schnee haben, haben die Argentinier vermutlich die meisten für Schotter.
Meine Zähne sitzen nun spürbar lockerer.
Der Soundtrack dazu: Brazil.
Gobernador Gregores ist ein Beispiel für schwierige Routenplanung. Es gibt 300Km davor und danach nichts. Nichts!
Ich wollte nicht nach 3h wandern noch 600Km fahren, will ich sowieso nicht.
Und es gibt auch in diesem Ort keine einzige schöne Unterkunft, auch nicht für Geld.
Also buchte ich über Check24 das Zimmer über Silvanas Carport.
Als ich dort war, verhandelten wir neu, ich fand 20€ dafür eine Menge, wir einigten uns auf 15€. Immer noch zu viel. Cash natürlich.
Ich war ihre erste Mieterin. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass jemand gebucht hatte und starrte mich völlig verständnislos an, als ich klopfte.
Ich nutze den Nachmittag/Abend für eine grobe Planung der nächsten Tage bzw.
Wochen, um zu schauen, wie viele Tage ich auch mal länger verbringen kann und wann ich wo sein muss, um rechtzeitig wieder in Buenos Aires anzukommen.
Und was noch auf dem Weg attraktiv ist und auf meinem Wunschzettel steht.
Montag, 6.10.
Um 7:30 war ich unterwegs. 480 langweilige Kilometer, eine wirklich schlechte Straße mit Kratern, zwischen denen man den Asphalt suchen musste, ermüdend.
Dann kam ich in Rio Mayo an, ein wenig ansprechender Flecken.
Das Hotel war noch schlimmer.
Ich war der einzige Gast, der zuständige Typ führte mich vollkommen gelangweilt und desinteressiert zu einem unangenehm riechenden fensterlosen Zimmer mit Stahltür. Knast.
Ich habe sofort keine Luft mehr bekommen, entsetzlich.
Der Typ sprach nur spanisch, das Wifi ging nicht, ich machte ihm klar, dass ich dort nicht schlafen würde. Dass ich da nicht mal reingehen würde.
Der ganze Laden war schrecklich. Abgerockt, kalt, ungemütlich, ungepflegt, fleckig, es roch eklig.
Das war auch nicht, wofür ich bezahlt hatte (30€), das Werbebild und die Realität klafften in einem nicht mehr greifbaren Maße auseinander.
Diskussion darüber, sie wollten mehr Geld.
Ich dachte, „ihr müsstet mich bezahlen dafür, dass ich nicht die Rezension schreibe, die ich schreiben werde". Und die ich schrieb.
Granit also von meiner Seite, ich war schon ordentlich angepisst. Ich bekam ein anderes Zimmer. Von entsetzlich zu ganz schrecklich, immerhin.
Dann musste ich sofort da raus und fand, unglaublich insbesondere zu der Uhrzeit (14:30), ein offenes Restaurant mit einer netten Bedienung und einer Mieze.
Ich fragte, soll ich besser Zitronenhähnchen mit spanischen Kartoffeln oder Hähnchen Supreme mit Kartoffelpüree nehmen?
Supreme war die Empfehlung 🤢
Wenn ich solches Essen sehe, spüre ich unmittelbar sämtliche Symptome von Skorbut, meine Zähne sitzen gleich noch lockerer, Zitronenschnitz hin oder her.
Frittiertes 😝 Ungesalzenes, fast kaltes Pü.
Das Essen in diesem Land schmeckt mir bisher nicht besonders.
Das Lamm in Puerto Madryn war gut.
Und das Steak, das ich mir gegrillt habe.
Aber ansonsten... das Gebäck schmeckt fast immer nach Margarine, sie würzen kaum oder gar nicht, es gibt so wenig Obst und Gemüse/Salat, frisches Essen.
Ich finde keine Chilies, nichts Scharfes, Knoblauch gibt es nur den schon etwas zu trockenen, es war noch nirgendwo eine Limette zu erspähen.
Das getrocknete Chilipulver kann man auch pur löffeln, schmeckt nach nüscht.
Ich habe zwei „pikante" Saucen gekauft-die schmecken fast nur nach Essig.
Das Obst und Gemüse im Supermarkt hat keine gute Qualität, die Auswahl ist meistens überschaubar, sehr oft findet sich Schimmel.
Die Tomaten sind immer wässrig, gammelig, unreif, neutral.
Von sechs Äpfeln hat einer geschmeckt, es gibt zwei Sorten, rot und grün. Mit Birnen kann man Glück haben.
Die Avocados sind sehr gut!
Vieles ist teuer, teurer als bei uns.
Das Brot ist immer pappig.
Joghurt, ich habe bestimmt bald alle Sorten durch, ist immer schleimig und immer zumindest leicht gesüßt.
Kekse haben einen komischen Beigeschmack, Eis ebenfalls.
Nur die Milch ist super.
Käse schmecken fast alle gleich. Ich hatte Provolone, einen Gouda, eine Art Mozzarella, alles der gleiche neutrale Gummi.
Der französische Camembert von Carrefour war klasse, aber das zählt ja nicht.
Empanadas, ich traue mich kaum, das zu schreiben, sind einfach langweilig. Der Teig hat keinen Geschmack, die Füllungen sind Rinderhack, Huhn oder Schinken und Käse. In der Regel ebenfalls geschmacksarm.
Die Salamis (Fuet) waren okay, aber nicht besonders gut. Es gibt übrigens auch Guanako-Salami. Die muss man ja nur von den Zäunen pflücken.
Nach dem „Supreme“ lief ich eine Stunde fast alle Straßen ab. In einem Schreibwarenladen/Schuhgeschäft/Bekleidungsshop/Gemischtwarenladen auf 50qm war auch ein Western Union, da besorgte ich dringend nötiges Bargeld. 100€/ 177.400ARS, die ich kaum in meine Tasche bekam, weil sie mir 177 Scheine zu 1.000ARS gegeben hatte.
Dann saß ich zwei Stunden im Auto vor dem Hotel, habe meine nächsten drei Stationen/vier Tage weiter geplant und teilweise gebucht.
Scheibenwischwasser aufgefüllt. Gechattet über WhatsApp. Schokolade gegessen und Weintrauben.
Alles, um nur nicht in dieses Zimmer zu müssen.
Dienstag, 7.10.
Kurz hinter dem Ort begann die bis dahin schlimmste Strecke. Das, was von der Straße übrig war, war nicht befahrbar.
Hab ich noch nicht gesehen, so etwas.
Jetzt weiß ich was die Leute hier meinen, wenn sie vor der RN40 warnen.
Die LKWs und Autos fuhren auf einer schmalen, miesen Schotterpiste an der Seite, dort kam man immerhin etwas voran.
Ich brauchte für 50Km etwa 2,5h, das war sehr anstrengend.
Und ich fahre nicht zimperlich oder ängstlich, ich habe auch andere überholt.
Ich war wirklich abgegessen, frustriert und deprimiert.
Dann kam ich in einen Ort, der eine Tankstelle hatte. Der Tankwart war entzückend, ein netter Hund schnupperte ein freundliches Hallo.
Ich ging rein, es begrüßte mich eine orangene Mieze.
Hinter dem Tresen eine Espressomaschine. So etwas habe ich seit Ushuaia und davor Buenos Aires nicht mehr gesehen.
Die Tanke war auch ein kleiner Supermarkt mit Produkten aus der Region und es kamen immer wieder Leute rein, kauften eine Kleinigkeit, schwätzten nett, lächelten und gingen wieder.
Und dann noch die sympathisch lächelnde Frau, die bediente.
Ich beschloss, etwas zu bleiben. Es gab ein Leben jenseits staubiger Schotterpisten in der Wüste, abstoßender Unterkünfte und tot über dem Zaun hängender Guanakos, da wollte ich wieder rein.
Es gab einen Milchkaffee für mich, Mieze sprang sofort auf meinen Schoß und war dermaßen ausgehungert nach Zuneigung, sie kroch fast in mich rein, wir haben uns gesucht und gefunden
Danach sah ich aus wie ein Flokati, aber wie ein weitaus zufriedenerer Flokati als beim Betreten des Ladens, und bekam Klebeband, um die halbe Mieze zu entfernen von Jacke und Hose.
Von diesem Punkt an wurde der Tag deutlich besser. Die Landschaft wurde schön, es gab wieder Wasser und Bäume, es klarte auf, die Sonne kam raus.
Dazu gab es das Album 12 Golden Country
Greats von Ween.
Gene und Dean Ween haben zehn Studio-Alben produziert, von denen ich dieses und Chocolate&Cheese am besten finde.
Klasse Musik, super schräge Texte, leider haben sie sich getrennt.
Als fiktive Brüder haben sie sich an verschiedenen Musikrichtungen mit bekannten Musikern des jeweiligen Genres abgearbeitet, ziemlich gelungen, finde ich.
In einem kleinen See sah ich plötzlich viele pinkfarbene Flamingos stehen. Leider für die Handykamera zu weit weg:
Über die Straße trippelte ein kleines Gürteltier, kannte ich bislang nur von Fotos.
In den letzten Tagen gab es immer wieder Abschnitte, auf denen mir über 100Km niemand begegnet ist, kein Auto, kein Mensch.
Nur leere Weite.
Außerdem sind mehrere wilde Strauße wie aufgeregte Hühner kopflos hysterisch im Zickzack über die Straße getänzelt, es war zum Piepen. Einen habe ich erwischt, leider auch wieder etwas unscharf:
Ich sehe hier auch viele Gauchos in ihrer typischen Kleidung samt großer Baskenmütze über die Steppe reiten, fast immer umgeben von einer Meute Hunde.
Es reiht sich eine Estancia an die nächste, die Grundstücksflächen müssen gigantisch sein.
Nach gut 400Km kam ich gegen 15:30 in Esquel an.
Die Stadt ist nicht nur hübsch, sondern auch sehr schön gelegen, umgeben von Bergen ohne bedrückend zu wirken.
Ich fuhr eine sehr enge und steile Straße an einem Hang hoch, um mir das aus einer anderen Perspektive anzuschauen und kam kaum wieder zurück.
Es gab keine Möglichkeit, zu wenden und das war die kniffligste Dreipunktwendung, die ich je gemacht habe. Obwohl , da war noch eine in Irland 🤔
Gottseidank gibt es Servolenkung! Zwischendurch dachte ich, das war's, hier stecke ich endgültig fest.
Aber, mit Geduld und Durchatmen ging es dann natürlich doch.
Sonne, frühlingshafte Brisen, Butterblumen und knospende Bäume. Bürgersteige und Gras. Schön.
Mein Appartement war nett. Ich machte mir zuerst etwas zu essen, hatte bis dahin nur ein paar Kekse, dann duschen und ich war wieder ein Mensch und deutlich besserer Stimmung.
Ich fuhr ins Zentrum, das gab es dort, und es tauchten all die Läden wie von Zauberhand auf, die ich brauchte.
Eine Spezialität von dort sollte Schokolade sein, ich habe ein bisschen probiert und fand sie nicht toll. Okay, eher wie bei uns gute Adventskalenderschoki.
Die Schotterstraßen hatten meinen gesamten Vorrat an Schutzdingsis für die Handykamera durch Abstürze aufgebraucht, alle zersplittert, hier bekam ich ein teures neues.
Ich habe meinen Stanley-Becher zu Hause vergessen und vermisse ihn schmerzlich, besonders an Tagen wie diesem.
Es gab keinen wirklich adäquaten Ersatz, aber in einem Outdoorladen etwas, was dicht ist, ich durfte mit Wasser probieren, und vom Funktionsprinzip und der Größe dem entspricht, was ich wollte. Zudem bezahlbar.
Ich habe es auch noch von 29.400 auf 22.000
(12€) runtergehandelt.
Eigentlich kann man fast alles verhandeln, finde ich raus, auch in Geschäften und bei Dingen, an denen ein Preisschild klebt.
Dann kuschelte ich mich aufs Sofa, guckte, wie es nach der übernächsten Station weitergehen könnte und genoss es, nicht in so einer schauderhaften Umgebung zu sein.
Mittwoch, 8.10.
Heute wurden es nur knappe 300Km, die Landschaft wurde richtig schön, es gab zunehmend Seen, Bäume, grünes Gras und blühende Pflanzen.
Ich sehe deutlich, dass ich mich Richtung Norden wieder in wärmere Gefilde bewege.
Die gut erhaltene Holzhütte, in der Butch Cassidy und Sundance Kid nach ihrer Flucht aus den USA lebten, ließ ich aus.
Auf dem Weg lagen zahlreiche Forellenzuchten und -räuchereien.
Forelle wird hier auch als Dosenfisch verkauft.
In (San Carlos de) Bariloche steuerte ich zunächst die Seilbahn an und gondelte hoch zum Cerro Campanario, für 11€ (20.000ARS. Nach einer Rezension auf Google hat das vor einem Jahr noch 5.000 gekostet).
So einen beeindruckenden, wunderschönen Blick hatte ich selten in meinem Leben.
Meine nächste Unterkunft war nur 5min entfernt, schnell noch in einen Supermarkt und dann Essen gemacht.
Morgen fahre ich die berühmte Route der sieben Seen und bleibe dann mal zwei bis drei Tage an einem Ort.
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