🇨🇳 Shanghai, Tage 16-18 & Resümee China
- Charlotte Tina
- 22. Sept. 2024
- 9 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Sept. 2024
Tag 16
In Wuzhen besuchten wir nach dem Frühstück noch ein kleines Museum, das sich dem Thema Fuß-Binden gewidmet hat. Eine barbarische Methode, den sogenannten Lotus-Fuß durch erzwungenes Verkrüppeln zu formen, der idealerweise nur noch 10cm lang sein sollte. Dieses frauenfeindliche Vorgehen wurde erst 1921 verboten, aber noch zwanzig Jahre weiter praktiziert. Von Frauen. Wie Beschneidungen. Ich begreife es nicht.
Dann chauffierte der Busfahrer uns in 1,5h nach Shanghai, zuerst zu einem buddhistischen Tempelgelände.
Dann zum Essen in einem Einkaufszentrum, das wie verlassen wirkte, war wieder mäßig.
Im Anschluss stand der Cocktail am Bund auf dem Programm.
Der Bund ist die Uferpromenade des Huangpu aus der Kolonialzeit und weltbekannt.
Der Blick war toll. Der Laden so la la und am hintersten Ende der Promenade, der Gin Tonic die Wahl, bei der man nicht so viel falsch machen können sollte.
Der Himmel war dramatisch.
Das Stadtbild von Shanghai ist merklich anders. Viele Menschen sind moderner, westlicher gekleidet, offensichtlich eher an Langnasen gewöhnt (aber man wird immer noch oft angestarrt), die Hochhäuser sehen in der Innenstadt tendenziell aus wie in New York oder Hongkong. Und dann gibt es noch viele schöne Kolonialbauten der Engländer und Franzosen.
Ich hatte erneut ein eigenes Zimmer buchen wollen, um meiner Zimmergenossin zu entgehen, und das China Tours überlassen auf Pauls Drängen hin. Ist komplett in die Hose gegangen, obwohl ich an zwei Fronten Dringlichkeit klar gemacht habe und es in Sekunden selbst hätte machen können. Abends war es dann ausgebucht.
Die Agentur würde ich nach diesen Erfahrungen nicht mehr empfehlen, den Reiseleiter sowieso nicht.
Völlig genervt war ich im Hotel.
Der Rest machte mit dem Bus wieder eine Lichterfahrt, ich musste meinen Ärger loswerden und begab mich auf ein kleines Abenteuer zu einem Pool. Der gehörte zum Hotel, war mit dem Shuttle aber 5min entfernt im Business Center. Ich habe keine Ahnung, was das genau war, da waren nur Chinesen unterwegs. Machte auf mich eher den Eindruck eines etwas in die Jahre gekommenen Gyms, aber ein Faxgerät stand bestimmt auch irgendwo rum.
Kein Mensch sprach Englisch, also lief die gesamte Kommunikation über Hände, Gestik und Mimik; erstaunlich immer wieder, wie weit man damit kommt.
Im vierten Stock war der 25m-Pool, ich erstand eine chinesische Badekappe für 1,25€ (sie und die belgische begründen jetzt vielleicht eine Sammlung internationaler Kappen?) und schwamm meine üblichen Bahnen, zwischendurch angestarrt wie eine pinke Seekuh. Na und?! Ich war die schnellste im Wasser 😜
Der Rückweg dauerte zu Fuß eine 1/4h, ich machte einen Plan für die nächsten Tage. Alleine.
Tag 15
In der U-Bahn, Menschenmassen wälzen sich durch diese Stadt (24 Mio). Ich wollte zuerst zum Fluss, dem Huangpu.
Niemand, absolut niemand guckte auf, alle sahen auf ihr Handy und darauf TikTok-Videos und dergleichen. Zombies 🧟 Ich empfand das wirklich als unheimlich 😂
Auf dem Weg zum Bund erwischte mich der erste Schauer des Tages und ich suchte Zuflucht in einem Café.
In und vor den Kolonialbauten am Bund gibt es viele wunderschöne Lampen, ich war ganz begeistert.
Ich lief weit, etwa 4Km, frühstückte am Ufer einen mit Fleisch gefüllten, ausgebackenen Fladen und einen Joghurt, dann nahm ich mit etlichen Mofafahrern die Fähre ans andere Ufer.
Der Angestellte dort und ich fanden keine Verständigung, wie ich die 2¥ (~0,26€) zahlen könnte, schließlich winkte er mich so durch, sehr nett.
Auf der Ostseite der Stadt lief ich weiter und erspähte ein winziges Nagelstudio. Das war höchste Eisenbahn, die reizende junge Frau sprach einige Bröckchen Englisch, der Rest war schnell anders geklärt. Das war eine der besten Maniküren ever. Es sollte auch nur 10€ kosten (immerhin eine Stunde Arbeit), die Bezahlung funktionierte nicht, in der Bank nebenan konnten oder wollten sie nichts tauschen (wollten aber erst mal meinen Pass sehen, bevor sie mir das sagten, China halt), schlugen aber vor, sie in Euro zu bezahlen, womit sie einverstanden war.
Derart zufrieden machte ich mich auf die Füße und lief zur nächsten Fährstation (an der ich bar zahlen konnte) und setzte wieder über. Auf diesem Fluss sind viele sehr große Schiffe unterwegs.
Angenehm im Land ist, dass man recht häufig auf öffentliche Orte zum „Harmonisieren“ stößt und diese sind meist auch recht okay.
Diese digitale Entwicklung (TikTok, Insta) scheint insbesondere hier die Leute dazu zu bewegen, sich in der Öffentlichkeit zu produzieren und auf eine irgendwie geartete Berühmtheit zu hoffen. Sehr schräg.
„Und was willst Du werden, wenn Du groß bist?“. „TikTok-Star.“ Äh ja.
Es ging für mich zur Nanking Road, der berühmten Einkaufsstraße. Hm. Einkaufsstraße halt. Wie die Wilmersdorfer, etwas breiter, mit dem KaDeWe drauf .
Dort traf ich aber Petra und Torsten. Klar, dass man sich in dieser Mega-City zufällig über den Weg läuft. Wir schlenderten gemeinsam weiter und schließlich zurück zum Hotel.
Gute 24.500 Schritte waren das heute, meine Hüfte wollte beidseitig explodieren und badete zum Trost in reichlich Tiger Balsam.
Endlich mal wieder habe ich kaum etwas gegessen, damit habe ich mich gleich wohler gefühlt. Abends gab es je einen kleinen Salat und Trinkjoghurt aus dem Mini Markt, das Onigiri habe ich gar nicht mehr geschafft.
Tag 17
Es regnete in Strömen. Ich ging mit einem Regenschirm bewaffnet los, kam aber nur bis zum 1Km entfernten Supermarkt, den ich ausgiebig abgraste, dann verschob ich meinen Ausflug auf den Nachmittag und ging zurück.
Ich werde sicher nie wieder nach Shanghai kommen, also zog ich doch noch mal los zur französischen Konzession. Nett, mehr aber auch nicht. Der Charme des Viertels kommt hauptsächlich von den in den Straßen vor Jahrzehnten gepflanzten Platanen und vielen schmalen Gassen.
Es gibt hübsche, komplett auf Touris ausgelegte Geschäfte und man wird aggressiv verfolgt und bearbeitet, sobald man nur kurz schaut. Lästig.
In der Mall an der U-Bahn Station gab es direkt an den Rolltreppen Schaukästen, in denen Katzenbabies leben mussten 😔
Die Fressstände waren oft verlockend, insbesondere olfaktorisch, aber das war ja in einem anderen Leben, vor Wegovy 😂
Im Supermarkt ein Werberoboter (im Hotel gibt es welche, die geschlossen sind und Getränke- und Essensbestellungen auf die Zimmer liefern):
Tag 18
Abschied von China; ich kann nicht behaupten, dass ich traurig bin. Das war keine wirklich schöne Zeit.
Es gab schöne Momente, aber insgesamt war es mit meiner Zimmergenossin und dem Reiseleiter anstrengend, angespannt und belastend.
Den Staudamm hätte ich mir nicht ausgesucht als Programmpunkt, mit weniger Tempeln hätte ich auch gut leben können.
Das Schiff war eine ziemlich große, muffige Enttäuschung.
Die Menschenmassen sind anstrengend, die Leute eher rücksichtslos und mit Ellenbogen ausgestattet.
Ein ständig erzähltes Narrativ von Paul war, wie wunderbar das Land sei. Keine Kriminalität; wer so etwas behaupte, lüge.
Dass er uns immer mal wieder ermahnte, auf unsere Wertsachen zu achten…?
Von anderen Deutschen hörte ich, daß dann gerne Ausländer verdächtigt würden.
Auf öffentlichen Bildschirmen laufen Propagandafilme, deren Botschaft allein durch die Bilder klar wird. Prosperierendes Land, Ordnung, Sicherheitspräsenz,….. . Alles ist überall ordentlich oder soll es sein, Menschen in Uniform allerorten stehen schon mal lächerlich stramm rum. Mag jeder anders sehen, aber muss man das an einer Bahnschranke in einem leeren Dorf bei 38°?
Üüüüüüberall Kameras, jeder Furz wird registriert.
Sicherheitskontrollen auch an jeder U-Bahn Station, alle Rucksäcke und Taschen werden durchleuchtet wie am Flughafen und Bahnhof.
Viele Jobs sind einfach ABMs, um die Zahlen zu schönen. Da fegen z.B. Leute eine staubige, abgelegene Straße mit einem Reisigbesen jedes Mal, wenn ein LKW durchfährt.
Mit dem Zug sind wir ein Stück parallel zum Gelben Fluss gefahren, in einiger Entfernung sah ich einmal ein Kraftwerk und ein Atomkraftwerk. Ich schaute in Maps, da waren sie jeweils nicht zu sehen, auch nicht in der Satellitenansicht.
Die schrecklichen, hässlichen Hochhäuser. Überall, endlos viele.
So viele Menschen hier sind so müde. Im Zug ging ich zum Bordrestaurant, auf dem Tresen lag die Verkäuferin mit dem Oberkörper, schlafend, auf einem Hocker schlief sitzend ein Schaffner.
Die Temperaturen von meist 35-38° (es ging rauf bis 40°) waren für mich ziemlich schwer zu ertragen.
Viele Menschen habe ich als freundlich wahrgenommen und viele waren sehr neugierig, was ich grundsätzlich immer sehr erfreulich finde. Oft wurde über uns gelacht, einige Male wirkte es alles andere als wohlmeinend. Aber das ist ja in fast jedem Land so (wobei ich Japan dahingehend am extremsten fand). Manchmal gab es auch spürbare Ausländerfeindlichkeit. Auch wie fast überall.
Recht enttäuschend fand ich das Essen. Wir haben zwar einige sehr gute Gerichte gegessen, häufiger aber mäßige oder langweilige. Außerdem hat unser Reiseleiter anfangs immer darauf geachtet, dass wir westlich abgestimmtes Essen bekamen, nach etlichen Meutereien wurde es zwei Mal etwas besser, die Auswahl blieb leider fast immer identisch. Paul mag keine Suppen, also bestellte er keine Suppe. Er liebte Maos Fleisch (Standardwitz für uns Deutsche: Mausfleisch), also gab es oft fettesten Schweinebauch. Gab es einen Tag ein besseres Essen, war der nächste wieder sparsam (gern z.B. Rührei) und in einem weniger ansprechenden Restaurant. Oft mussten wir uns anhören, dass das Budget nicht für mehr reiche. Fällt mir schwer, das zu glauben bei dem Preis den wir bezahlt haben und bei den Restaurantpreisen hier.
Am besten und interessantesten waren die Gerichte, die nicht für Westler gekocht wurden.
Die Auswahl auf dem Schiff war recht gut (das Essen aber auch nicht bombig), weil hauptsächlich Chinesen an Bord waren und Paul keinen Einfluss auf das Essen hatte (er hat sonst immer für uns bestellt).
Erstaunlich, wie extrem kapitalistisch dieses angeblich kommunistische Land ist. Sehr reiche Menschen fahren teure (oftmals deutsche) Autos, sehr arme Menschen verdingen sich für ein paar wenige Yuan, schleppen schwere Sachen oder verkaufen auf der Straße ihre magere Ernte von der ihnen zugeteilten Scholle für sehr wenig Geld.
Sehr verlogen alles. Sehr strenge Hierarchien gibt es zudem.
Eine Gruppenreise werde ich nicht noch einmal machen. Wegen der enormen Sprachbarrie war das zwar oft nützlich mit einer muttersprachlichen Reiseleitung, aber Individualität geht fast völlig flöten. Passt für andere, nicht für mich. Den Versuch war es aber natürlich wert.
Es ist nicht einfach, Anschluss zu finden, wenn nur Zweierteams mitreisen. Man ist immer etwas außen vor, das liegt gar nicht (unbedingt) an Ablehnung, sondern in der Natur der Sache. Ist dann trotzdem unangenehmer, als sowieso allein zu sein.
Nicht so schlimm, unter Erfahrung verbucht.
Ein extremes Manko war aber meine Zimmergenossin, die offenbar dem neurodivergenten Spektrum angehörte und kaum zu ertragen war. Das hat mir die Reise letztlich ziemlich ruiniert. Die gesamte Gruppe war völlig genervt von ihr, aber ich musste sie 24/7 ertragen.
Mit China Tours würde ich nicht noch einmal verreisen. Zu wenig Kommunikation im Vorfeld, nicht immer rasend freundlich, bedingt hilfsbereit, den Reiseleiter fand auch die ganze Gruppe nicht gut.
Er konnte natürlich auch sehr nett sein und hat z.B. zwei Tage nach meiner Frage noch an die Anfrage für eine eigene Kabine gedacht, aber er hat uns auch mal angebrüllt, Fragen ignoriert, häufiger gesagt, „das müsst ihr nicht wissen“, ständig behauptet, er wisse genau, was wir wollen und hatte nicht so wirklich Ahnung davon. Mein Begehr, in Shanghai ein eigenes Zimmer zu haben, hat er durch seine selbstgefällige Ignoranz vermasselt, was ich extrem ärgerlich fand. Ich hätte das Zimmer problemlos selbst über Booking buchen können und er hat mich davon abgehalten, abends war es dann zu spät und er wollte mir noch einen reinwürgen für seinen Fehler. Sehr unprofessionell.
Eine andere Gruppe der selben Agentur hatte eine ähnliche Route und begegnete uns immer wieder mal, die waren begeistert von ihrer Begleiterin. Schade.
Fragen, die mit „Kann ich…?“ begannen, wurden zu 99% mit „Nein“ beantwortet. Immer wieder behauptete er, wir könnten irgendwas nicht (Radfahren in China war eins von unzähligen Beispielen).
Mir wurde vom Reiseleiter gesagt und durch viele bedeutsame Blicke gespiegelt, dass ein Trägertop zu sexy ist. Ich habe in Shanghai eine einzige Chinesin gesehen, die so etwas anhatte, alle anderen tragen züchtig die Schultern bedeckt. War mir übrigens wurscht, hab es trotzdem angezogen.
Er mokierte sich oft über die marode deutsche Wirtschaft und unsere Politiker. Überhaupt über unser Land.
Auf meinen Scherz am Schiffshebewerk („alles bei uns geklaut“) reagierte er äußerst ungehalten, auch wenn ich inhaltlich recht hatte. Unsere Völker hätten „voneinander gelernt“.
Er sagte, 99% der Chinesen ständen hinter Russland im Krieg gegen die Ukraine.
Das Thema Gesicht verlieren war ihm extrem wichtig. Was soll ich sagen? Für mich hat er es durch sein Verhalten verloren.
Chinesen sind sehr laut. Das fand ich oft unangenehm, ich mag Ruhe, die Geräusche der Natur, das war oft schwierig. Lautsprecheransagen müssen hier anscheinend brüllend laut sein, kaum zu ertragen. Außerdem ist China eine Ellenbogengesellschaft, buchstäblich. Da wird gerempelt und gedrängelt ohne Rücksicht. Es wird auch gerne mal gebrüllt.
Ich saß auf der Marc O Polo-Brücke, war hübsch da, der Wind ging, die Blätter rauschten, die Sonne war leidlich mild. Da kam Paul, ich solle: die Stadtmauer ansehen, den Weg entlang gehen, dies, das, jenes tun. Ich musste bestimmt drei Mal sagen, nein, lass mich in Ruhe hier sitzen. Und war schließlich völlig genervt und der schöne Moment verdorben.
Es gibt zahllose solcher Beispiele.
Irgendwann hatte keiner mehr Lust, ihn etwas zu fragen.
Ich mag China nicht, das bleibt unterm Strich.
Wunderbar war die (zu kurze) Zeit auf der Chinesischen Mauer, die Karstkegelberge, die (fast schon erzwungene) Radtour dort; und die Flossfahrt und die Landschaft der Reisterrassen. Das sind meine Highlights. Dann noch der Abend in Xi‘an, als ich alleine auf dem Nachtmarkt war. Die Terrakotta-Armee…jaaa, auch. Aber. Völlig überlaufen, nur aus recht großer Entfernung zu sehen.
Die Peking-Ente war sehr gut.
Positiv zu erwähnen ist die gute Logistik, also die Orga der Beförderung im Land.
Die Heimreise war so anstrengend wie die ganze Reise: vom Hotel im Bus 1h durch die Stadt, in denTransrapid, mit 300km/h zum Flughafen, mit Verspätung 2h nach Hongkong, Umstieg, 12,5h nach Frankfurt, 4h FlixTrain nach Berlin.
Erschossen.
In 13 Tagen geht es nach Island. In kompletter Eigenregie und mit Birgit 🤩 Stay tuned!
Kleiner Nachtrag: ich war einkaufen, bei schönstem Wetter gerade im Freibad und ich bin sehr erleichtert, raus zu sein aus dem Land. Unser Leben fühlt sich so viel freier an.
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