🧑🍳 Otsuka Sushi, Berlin Mitte, 18.1.2025
- Charlotte Tina
- 18. Jan.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 26. Apr.
Am Nordbahnhof ist im Eingangsbereich des Bioladens die winzige Sushi-Bar Otsuka versteckt, in der der aus Tokio stammende Koch Daisuke Ishige nur sieben Plätze bedient.
Entsprechend herausfordernd ist es, einen Platz zu reservieren. Es ist fast immer ausgebucht, sein Ruf und die Rezensionen sind ausgezeichnet.
Ich habe zwei Wochen lang mehrmals täglich in die Zenchef-App geschaut und am Freitag war dann plötzlich eine Option für Samstag mittags frei. Wir waren schließlich nur fünf Gäste im äußerst reduzierten, schon eher kahlen Interieur. Bemerkenswert in meinen Augen: ein Paar, drei Frauen alleine.
Omakase ist ein Menü, dessen Bestandteile und Komposition allein vom Küchenchef festgelegt werden; wörtlich übersetzt heißt es „überlassen Sie es uns“.
Dies ist Programm im Otsuka. Für 60€ kann man sich auf knapp zwei Stunden meisterhafter Sushi einstellen, begleitet von Tee.
Vorweg sei gesagt, dass es einige ungeschriebene Regeln gibt:
Sushi werden immer im Stück gegessen (nicht abgebissen, auseinandergenommen oder ähnliches; die Ausbildung dauert fünf bis zehn Jahre, das ist Kunst, die man da dekonstruiert).
Nachwürzen mit Wasabi (niemals in die Sojasauce rühren!) oder Sojasauce ist verpönt; sehr gutes Sushi wurde bereits perfekt gewürzt.
In Sojasauce getunkt wird, wenn, lediglich der Fisch, nicht der Reis (weil unweigerlich zu viel aufgesaugt wird und der Reis auseinander fällt).
Sushi werden mit den Fingern aufgenommen oder mit Stäbchen.
Da perfekter Sushireis eher etwas warm ist, nicht zu stark gepresst wird und nicht klebt wie Beton, bieten sich hier die Hände an.
Der vor einem abgelegte Happen wird sofort verspeist, die Regel besagt, innerhalb von 30 Sekunden. Reis und Fisch haben unterschiedliche Temperaturen und diese sind wichtiger Bestandteil des Genuss-Erlebnisses.
Stäbchen werden nicht auf dem Tisch abgelegt.
Häppchen mit den eigenen Stäbchen weiter zu reichen ist ein Begräbnisritual.
Gäste sollten keinen Duft tragen. Finde ich generell eine ausgezeichnete Idee für Restaurants. 🤔 Und öffentliche Verkehrsmittel. Und Oper, Theater, Kino, Schwimmbad.
Ingwer (Gari) wird als Erfrischung und Geschmacksknospenreiniger zwischen den Gängen verspeist, nicht dazu. Uns wurde statt Ingwer in recht kräftigem Essig marinierter Rettich (Daikon) und Apfel zum Neutralisieren zwischen den Häppchen gereicht.
Zur Einstimmung und Begleitung gab es Tee- geröstete Gerste mit grünem Tee und Kräutern gemischt, eine Eigenkreation, geschmacklich ähnlich wie Genmaicha.
Der erste Bissen (und mein Favorit) war Steinbutt. Köstlich. Ich hatte noch nie ein Sushi, das mit frischem Zitronensaft abgeschmeckt wurde. Die Fischseiten bestrich er immer mit selbstgemachtem Nikiri =Sojasauce, Mirin & Sake. Wasabi rieb er mehrmals frisch.
Dann folgte Thunfisch:
Horse mackerel (wird mit Stöcker übersetzt und schmeckt etwas anders als Makrele):
Dann kam ein mittelfetter Thun (mein Favorit Nummer zwei):
Wolfsbarsch (und darunter dessen Leber als Paste):
Süßer Shrimp/Ebi:
Thunfisch-Bauch (O-Toro), der mit seiner fetten Maserung fast aussieht wie Wagyu:
Makrele (hier nicht so meins, aber wunderschön):
Thunfisch (aged) in Sojasoße mariniert und kurz pochiert, erinnerte durchaus an zartes Rinderfilet:
Dorade:
Danach war Schluss mit Nigiri und er rollte eine Kampyō Maki (eine Art Kalebassenkürbis, getrocknet und wieder eingeweicht, gekocht in Sojasoße und Zucker), ein geliebtes Gericht seiner Kindheit:
Zum Schneiden der Rolle tauchte er die Spitze des langen Messers in klares Wasser und klopfte mit dem Griff sacht schräg auf den Tresen, so daß ein Tropfen Wasser exakt auf der Schneide nach unten lief. Mit der auf diese Art zart benetzten Klinge glitt er durch die Maki. Typisch japanische Ästhetik und Effizienz. Hier der letzte Durchgang (bei den vorhergehenden hatte er es langsamer gemacht):
Dann zauberte er ein unglaublich knuspriges Temaki mit Gurke und Shisoblättern. Das fand ich besonders klasse, weil es eine ganz neue geschmackliche Erfahrung war. Shiso erinnert sehr an Perillablätter, die in der thailändischen und vietnamesischen Küche Verwendung finden. Das war sehr erfrischend, überraschend und, zumindest für mich, ungewöhnlich und nach dem Fisch passte es hervorragend. Favorit drei.
Der herzhafte Teil des Essens schloss mit einer ganz schlichten Miso-Brühe.
Danach servierte er ein kleines, köstliches, aber viel zu kaltes Stück Tamago. Leider vergaß ich in meiner Freude, ein Foto zu machen. Süßes, in Schichten gebackenes Omelett.
Der Nachtisch waren Azuki (süße rote Bohnen) mit Mochi. Etwas zu chewy beides, der Schwachpunkt des Menüs.
Er brühte noch einen grünen Tee (Sencha) auf, der den Schlusspunkt der 1 3/4 Stunden markierte.
Im Verlauf der Unterhaltung erfuhren wir, Reservierungen sind auch stark abhängig vom Fisch. Gibt es keinen von den Lieferanten seines Vertrauens, öffnet er nicht. That simple.
Und wie es in dieser Stadt mittlerweile (leider) fast üblich ist, fand die Kommunikation auf Englisch statt. Finde ich ziemlich ausgrenzend für die Menschen, die hier groß geworden sind und vielleicht nicht in der Lage sind, sich so zu verständigen und somit zu Hause fremd fühlen.
Fazit: fast so gut wie in Japan (obwohl ich da noch besseres aß), sicher das beste Sushi, das ich bislang in Berlin bekommen habe und ein sympathischer, völlig unaufgeregter Typ.
Zudem ist es interessant, jeden Schritt so nah beobachten zu können und alles fragen zu dürfen, was einem zu dem Thema einfällt.
Klare Empfehlung.
Hallo Tina, was für eine schöne Beschreibung Deiner kulinarischen Erfahrung. Und definitiv nix für mich 😌 HG Birgit
Klingt sehr spannend und toll dass man Hintergrundwissen vermittelt bekommt. Sushi in Sojasauce zu ertränken, hat sich ja zwischenzeitlich eingebürgert z.B. AAAber: "Begleitet NUR von Tee"???? Über Tee gibt es mindestens soviel zu sagen wie über Sushi! Und es gibt keine perfektere Begleitung.😉 ...englisch... Auf der anderen Seite ist es halt der kleinste gemeinsame Nenner. Müssten alle erstmal richtig deutsch sprechen können, bevor sie einen Laden aufmachen, dann gäbe es deutlich weniger Impulse und neues zu entdecken in Berlin, vermute ich mal. Aber ja, in bestimmten Teilen von Berlin ist es wirklich zu viel englisch, das finde ich auch.
Sehr anschaulich und spannend. Die Nigiri sehen klasse aus.