🇺🇸 Maine, Tage 115-117
- Charlotte Tina
- 3. Juli 2023
- 5 Min. Lesezeit
Freitag, 30. Juni
In der Überschrift fehlen in der Reihenfolge Nord nach Süd noch New Hampshire, Massachusetts, Rhode Island, Connecticut, New York.
St. Andrews und das Salty Towers haben mir sehr gut gefallen. Manchmal berühren Orte ja etwas in einem und man kann nicht unbedingt benennen, was es ist. Beth und John, die herzlichen und interessanten Gastgeber, Kater Joey, die Atmosphäre im Ort....
Vor mir lagen 400Km.
Um 11:30 hielt ich zum Mittagessen, das war etwas, was ich mir schon seit 20 oder 30 Jahren ausmale. In Maine am Wasser sitzen auf einem hölzernen Steg und Hummer essen. Das war besonders, weil die Betreiber dort lebende Hummer, Krabben und Muscheln in großen Becken hielten und man aussuchte, was man haben wollte. Frischer geht es nicht. Es war köstlich. Ich habe noch nie einen so frischen gekochten Maiskolben gegessen, war das gut! Statt eines Knackers gab es einen Holzhammer; ich hatte Spaß.
Ein netter Jamaikaner baggerte mich an, der seit sieben Jahren in den USA lebt und dort arbeitet. Auch er sprach vom Rassismus im Land, den großen Drogen- und Obdachlosigkeitsproblemen. Das Narrativ, das immer wieder auftaucht, ist, dass die Leute das so wollen.
Vielleicht liege ich ja komplett falsch, who knows?! Wahrscheinlich finden es Zehntausende einfach richtig geil, zu frieren, auf der Straße zu schlafen, keine medizinische Versorgung zu haben, nichts zu essen, zu stinken, sich nicht waschen zu können, Fetzen zu tragen, als Menschen zweiter Klasse betrachtet zu werden, null Perspektive und kein Zuhause zu haben. Ja, ich denke, ich bin da zu spießig.
In einem winzigen Ort war ein Café/Gemischtwarenladen, da atmete ich bei einem Eis und mittlerweile fast 30° Lokalkolorit.
Ich war kaum über die Grenze, da war alles gleich deutlich verwahrloster, ungepflegter, Ton, Atmosphäre und Essen anders. Nicht im besseren Sinne.
In South Portland war das AirBnB in einem der ältesten Häuser des Viertels, von 1881. Eine stinklangweilige Vororthölle; das ist nichts für mich. Bei einem echt gestörten Typen in einem vietnamesischen Café-Restaurant holte ich mir zwei Sommerrollen. Das war's für den Tag.
Samstag, 1. Juli
Juli??? Wie ist das denn so schnell passiert?
Zuerst machte ich einen Abstecher ans Meer bei Cape Elizabeth und staunte unterwegs, was bei manchen Menschen so im Vorgarten rumläuft:
Ich fuhr heute durch einen winzigen Zipfel New Hampshires, der ans Meer grenzt. In dieser Region sind fast alle Romane John Irvings angesiedelt, die ich früher verschlungen habe. Irgendwann wiederholten sich die Themen und Eigenheiten der Figuren zu sehr und ich verlor das Interesse. Aber, wer ihn nicht kennt, seine Bücher sind wunderbar! Aber bestimmt kennen die meisten Garp und wie er die Welt sah und Das Hotel New Hampshire oder Gottes Werk und Teufels Beitrag . Falls nicht: Empfehlung.
Und in Neuengland beginnt auch Nabokovs Lolita, der Roman, der ihm mit 60 endlich erlaubte, vom Schreiben zu leben. Bedrückend und großartig.
Es war beängstigend viel los in Sachen Trump. Viele Autos mit Aufklebern, auf dem Nummernschild steht "Live free or die".
Ich hätte dazu eine Anregung.
Auf einer Autobahnbrücke standen Dutzende mit Fahnen und Wimpeln und Bannern, "Trump was right" und so weiter und winkten. Unheimlich.
Da Samstag war, fanden wirklich viele Flohmärkte statt und schließlich musste ich doch über einen laufen und gucken. Unfassbar, wie viel Geld die für Müll oder wirklich nicht mehr schöne Dinge haben wollten. Aber auch lustiger und skurriler Plunder ist zu finden.
Ein schrecklicher Tag. Ich fuhr oder stand abwechselnd Stunden im Stau, Portsmouth, Boston, Plymouth, Cape Cod, so konnte ich mir später die Küste nicht mehr ansehen.
Das Schlimmste aber war die Nachricht der Vermieterin der letzten Nacht. Sie beschuldigte mich, ins Bett uriniert zu haben, auf den Teppich und den Sessel, überall im Zimmer Kaffee verschüttet zu haben und völliges Chaos hinterlassen zu haben.
Als ich das las war ich so schockiert, ich war völlig aufgewühlt.
Was für eine kranke Person erfindet so etwas? Sie hat nur super Bewertungen, es ist mir ein Rätsel.
Sie will eine Rechnung über eine Bio-Hazard-Reinigung bezahlt bekommen.
Ich glaub, ich spinne.
Sie hätte Fotos. Hat sie Apfelsaft auf ihr Laken gegossen? Ich bin wirklich ratlos und schockiert.
Das war's mit AirBnB. Fast immer seltsame Vermieter, ellenlange Vorschriften, was man alles nicht darf oder wie zu machen hat, viel zu oft unangenehme (riechende) Unterkünfte, fast immer viel teurer als Hotels oder Pensionen. Immer kommen auf einen vielleicht mal moderaten Mietpreis absurde Steuern, Reinigungskosten und Servicegebühren. Man kann sich nicht frei bewegen.
Wenn das vorbei ist, lösche ich den Mist.
Es gibt so viele Kirchen in Nordamerika, hier an der Ostküste sogar noch mehr, habe ich den Eindruck. Nazarener, Kongregationalisten, Römisch -Katholisch, Baptisten, Christ the King Church, Lady of Lourdes, Unitarier und so viele weitere.
Wenn ich mal sterbe: bitte keine Deutschland-Flagge auf meine Friedwald-Stelle, danke.
Als ich am späten Nachmittag endlich ankam, musste ich erst etwas essen.
Da es heiß war, nur vier Austern und eine kleine Portion Muscheln. Super lecker, aber leider überall Schalensplitter drin.
Bis ich bei der Unterkunft war, war es 17:30, also lohnte nichts mehr wirklich, so dass ich zum nächsten Waschsalon fuhr und mich zumindest darum kümmerte, wieder saubere Kleidung zur Verfügung zu haben.
Die Unterkunft ist so là là, der Eingangsbereich ein privates Wohnzimmer, das mäßig ansprechend ist. Aber: ein süßer alter roter Kater lebt hier und seine Mitbewohnerin ist auch recht nett.
Sonntag
Früh wach wegen der weichen Matratze.
Immerhin eine Mail von AirBnB, die Bewertung mit den grotesken Vorwürfen wurde auf meine Forderung hin entfernt. Nun ist noch die Sache mit den fiktiven Reinigungskosten offen. Das ist so verrückt.
Das mit AirBnB, also löschen, überlege ich noch mal. Der Kundenservice ist gut und hinterher und auch persönlich, nicht nur Bla Bla...
Ich fuhr die Interstate 95 und immer wieder davon ab, um etwas von der Gegend zu sehen in Conneticut.
Wahnsinns Häuser, riesige Anwesen, wunderschön, hier lebt sehr viel Geld. Irgendwo an den Strand zu kommen ist seit Boston eigentlich kaum möglich, weil alles private Grundstücke sind und man keinen Zugang findet. Das sieht auf Fotos toll aus oder mal aus der Ferne.
Sehr schade, hatte ich mir ganz anders vorgestellt.
Etwas genervt hielt ich für meinen vermutlich letzten Lobster.
Im Motel angekommen musste ich das Auto komplett ausräumen, Sachen aussortieren und das so lange, bis ich alles so gepackt bekomme, dass ich es zu Fuß bewegen kann. Schwieriges Unterfangen 🙈😂 2h hat das gedauert, einige Dinge muss ich hier lassen, trotzdem ist der Trolley kaum zu schließen. Da ist -0 Luft für etwas Nettes aus New York, so ein Käse! Eine Menge Kram landet schon im Rucksack.
Immerhin bekam ich eine Suite und hatte dadurch ausreichend Platz. Ich habe moniert, dass das (fiese hässliche kleine) Zimmer nach Rauch riecht 😎
Morgen also reite ich nach Manhattan. Auto abwerfen, Taxi fangen und die vier Blöcke zum Hotel. Und dann mal sehen, was da so los ist. Bin gespannt.
Hi Charlotte, na dann auf nach Manhattan. Ich fand das Klasse dort, Ende der 90er, privat bei "unseren Russen" Sveta&Andrej.... Ist lange her. Verdammt lang her...
Wir sehen uns bald 😍. HG Birgit
PS wir sind zurück aus Portugal im ziemlich kalten Berln