👩🍳 Rutz ***, Berlin Mitte, 19.2.2025
- Charlotte Tina
- 20. Feb.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 7 Tagen
Frei nach dem Motto "if there must be pain in life, let it be Champagne" fiel endlich die Entscheidung auf das Rutz in der Chausseestraße, welches Berlins einziges drei Sterne-Restaurant ist.
Auslöser: in meinen Posteingang trudelte ein Newsletter, der das Geburtstagsmenü (24 Jahre Rutz) ankündigte; für die gegebenen Verhältnisse ein mit 240€ attraktives Angebot, also reservierte ich prompt, nachdem ich maximal 20 Jahre gehadert hatte.
Drei Sterne! Aktuell gibt es nur zehn Restaurants in ganz Deutschland mit dieser Bewertung.
Der Guide Michelin beschreibt die Kriterien so:
Ein MICHELIN Stern ist einen Stopp wert. Hier findet man eine Küche voller Finesse, Produkte von ausgesuchter Qualität und ausgeprägte Aromen.
Zwei MICHELIN Sterne werden für eine Spitzenküche vergeben, die einen Umweg wert ist. Mit Know-how und Inspiration werden beste Produkte in subtilen, markanten und mitunter neuartigen Speisen trefflich in Szene gesetzt.
Drei MICHELIN Sterne sind eine Reise wert! Hier findet man die Handschrift eines großartigen Küchenchefs. Die Küche wird zur Kunst erhoben. Man findet perfekt zubereitete Gericht, die nicht selten zu Klassikern werden!
Lasst uns sehen, was da dran ist!
Kurz entschlossen klinkte Birgit sich am nächsten Tag ein, fein!
Um 18:00 fanden wir uns bei klirrender Kälte im zweigeschossigen Restaurant in Mitte ein.
Die Begrüßung war, ebenso wie der ganze Abend, herzlich und wohltuend unaufgeregt, einfach nett.
Uns fiel (positiv) auf, wie viel Personal dort beschäftigt war.
Die Einrichtung ist sehr schlicht, minimalistisch, angenehm ausgeleuchtet, dunkle Farben.
Immer wieder fallen sparsam akzentuierende Eyecatcher auf: prachtvolle Blumen, eine sehr hohe Regalwand mit eingelegten Kuriositäten (ich erspähte ein enormes Glas mit Ochsenherzen unter einem mit Veilchenöl), großformatige Gemälde, ein Barwagen mit ästhetisch dekorativen Flaschen.
Wie so oft wollte ich einen Riesling zum Auftakt, fruchtig frisch, mineralisch, eher trocken, gern leicht moussierend.
Wie immer bekam ich das nicht. Mir wurden vier Weine angeboten, ich empfand alle als sauer (Birgit auch), einen Grünen Veltliner fand ich okay (aber keinen großen Genuss).
Das Thema hake ich jetzt ab in Restaurants, ich trinke so selten, da sollte das eine Glas alle halbe Jahre toll sein und wenn das nicht geht, wähle ich gerne Wasser. Meine Leber ist derselben Meinung.
Dies ist das Geburtstags-Menü (die fotografierte Karte war Birgits):
Kiefer & Zwiebel | Auster & Grüne
Erdbeeren | Backfisch & Dill
Die Zwiebelgeschichte zum Einstieg war schon sehr lecker. Die Essenz aus vier verschiedenen Zwiebeln war aromatisch, getoppt mit ein paar Tropfen Kiefernnadelöl, der Chip war knusprig und fein.
Die Wattauster badete unter einem Gelee aus Austernwasser in einem Buttermilchbad, sehr gelungen und angenehm frisch. Von den Erdbeeren habe ich nichts mitbekommen.
Birgit fand (sie hatte vorab um Austausch der Komponenten aus Meer und Fluss gebeten) auf ihrem Teller gefrorene Sauerrahmkügelchen und sehr gurkig-intensiven Sud auf Lauch, das war großes Kino.
Der Happen Backfisch war vom Seeteufel, köstlich, aber etwas versalzen.
Hier kam gleich der hervorragende Service zum Zug. In der Küche hätten sie es probiert (und fanden es nicht so salzig), ob ich alles weniger salzig wolle, einen neuen Fischhappen usw. Sehr aufmerksam und bemüht und freundlich.
Rutz & Imperial Caviar Berlin
Überraschend fand ich die Kombination mit Haselnüssen, die hervorragend mit den Störeiern harmonierten. Ich habe bisher sehr selten Kaviar gegessen und finde ihn extrem überbewertet. Dieser war ganz weich und mild. Wir erfuhren, dass die Störe, denen dieser Rogen geklaut wird, davon je etwa 5Kg tragen.
Brot und Butter
Nun kam unerwartet etwas ganz Besonderes, ein Blutwurstbrötchen.
Ich mag keine Blutwurst und das klingt doch einfach scheußlich (?!), aber es war ein unscheinbarer, dampfend heißer, kleiner Bollen Köstlichkeit.
Niemand war überraschter als ich, aber das war der Hammer. Tolle Konsistenz, sagenhaftes Aroma. Wie zum Teufel haben die das hinbekommen?
Im Nachhinein war das mein Highlight des Menüs.
Das ebenfalls frisch gebackene, heiße, helle Sauerteigbrot hatte eine krachende Kruste und ein dichtes, saftiges Inneres.
Dazu gab es eine einfache gesalzene Butter und eine mit den klassischen Brotgewürzen Anis und Fenchel vermengte; schöne Idee (und so einfach), diese mal anders ans Brot zu bringen.
Rote Bete & Meerrettich, Essigbaum
Gebackene Bete, geriebener Rettich, leckere Essenz.
Fichte & Kohlrabi, Mandel-Miso
Schön süßlicher, in dünnen Scheiben im Rund arrangierter, glasierter und gebackener Kohlrabi, die Unterseite mandelig würzig. Was aussieht wie Tentakel sind Fichtennadeln.
„Unsere Handschrift pur"
Nordseekalmar & Schweinekinn, Wildquitte
In der Nordsee gibt es Kalmare, wusste ich nicht. Gebettet auf Duroc-Schwein, Gemüse und mit Wildquittenschaum war dies ein sehr herzhafter Genuss.
(Rothirschkalb & Mark, Laubporling)
Ich bin kein Fan von Damwild und habe vorweg um einen Tausch gebeten zur
Challans Ente & Laubporling
Tolle Ente, bei Birgit probierte ich den Hirsch, der (für mich unerwartet) absolut köstlich war, auch der Pilz war einfach fabelhaft. Dazu gab es aus putzigen kleinen Kupfersauteusen sehr intensive Sösschen.
Originell auf Moos und Knochen serviert wurde auch ein Hirschtatar mit -mark, das uns beide mäßig ansprach.
Kopfsalat & Amazake
Zum Neutralisieren und Erfrischen vor den weiteren Desserts gab es Kopfsalateis, super lecker, mit Kürbis.
Küchenchef Dennis Quetsch wurde 2025 vom Gault&Millau zum Patissier des Jahres gekürt, unter anderem für die ungewöhnliche und gelungene Einbindung von Gemüse in Desserts.
Ich finde es mal interessant und, wie an diesem Beispiel, mal sehr lecker, aber wie ich schon zu anderen Gelegenheiten schrieb, kann ein Dessert für mich auch gerne einfach ein Dessert sein. Zumindest eins, wenn man drei serviert.
Fenchel & Verbene, Clementine
Ganz köstliche Elemente fanden sich hier in der Schüssel: zweierlei Baiser, weiße Schokolade, Clementinen, Eis, etwas zart knusprig Karamellisiertes und leider auch Fenchel, über den sich Birgit schnell doppelt freuen konnte.
Herbstprinz & Grüner Wacholder
Das war so gut! Apfelkompott, Apfel hauchdünn als schmales Band geschnitten, dann aufgerollt zu einer kleinen Schnecke, etwas Teigiges, Sauerrahmeis, ein Schaum von Kombucha (hätte nicht sein müssen, tat aber nicht weh).
Das war es.
Das zweite Sternerestaurant in dem ich je aß war das Klassenzimmer in Fürstenhagen, das hatte nur einen Stern.
Ich war ja sehr gespannt, was die Unterschiede sein würden zwischen einem und drei Sternen und muss sagen, so eklatant fand ich sie nicht.
Der Service war hervorragend und besser im Rutz (war im Klassenzimmer aber auch sehr gut), das Essen war thematisch und qualitativ vergleichbar (weshalb ich hier das Klassenzimmer heranziehe), auch die Kompositionen waren, nun, da ich sie einander gegenüberstelle, irritierend ähnlich.
Der Grundgedanke in beiden Küchen ist, viele Dinge aus der nächsten Umgebung und vor allem auch aus dem Wald zu verwenden.
Toll bei solchem Niveau ist, wie perfekt die Details sind und was für ein Fokus dadurch darauf gelenkt wird, auch bei nebensächlichen Dingen, nicht nur dem Essen; Birgit wurde für ihre Tasche ein Tischhänger gebracht, mir für meinen Rucksack ein Karton.
Sehr gutes Essen. Dafür extra anzureisen, fände ich aber zu viel des Guten.
Das würde ich allerdings fürs Jordnær in Kopenhagen machen wollen…😎
Was mir nicht gefiel: dass es keine Getränkekarte gab. Der neue Sommelier des Hauses offerierte uns verschiedene (auch Schaum-)Weine, allerdings hatten wir keine Idee, was die kosten würden.
Das offene Wasser tauchte am Ende mit 12€ pro Person auf der Rechnung auf, das eine Glas Wein mit 0,1l mit 19€. Üppig.
Auch die Preise für Kaffee waren nirgends zu sehen, ein Grund, darauf zu verzichten.
Es mag Menschen geben, denen der Preis egal ist, oder solche, die bei jedem Vorschlag nachfragen (was ich eher unangenehm fände); ich hätte gerne eine Orientierung gehabt, womit zu rechnen wäre.
Birgit war begeistert vom Essen und meinte, das sei das beste ihres Lebens gewesen, so vielfältige und intensive Aromen.
Wir saßen oben, und ginge ich erneut dort hin, würde ich auch lieber wieder oben sitzen.
Nicht, dass ich da noch mal hinginge, aber Ihr vielleicht 😊
Hi Tina, danke für den schönen Bericht. So kann ich mich an die Gänge gut erinnern. Die Aromen waren herausragend. Großes Kino, danke für die Anregung, allein hätte ich das nie gemacht 😘
Kopfsalateis- I love it🤣! Vielleicht wäre das was für meine Vögel? Die Kreativität ist schon toll! Wobei es da aber auch einige Parallelen zu anderen Restaurants gibt, die ebenfalls auf Moos und Knochen servieren usw. Aber es klingt sehr lecker (und sieht auch so aus) und ich freue mich, dass ihr einen schönen, leckeren Abend hattet!
Sehr anschaulicher und gut geschriebener Bericht!