- Charlotte Tina
- 9. Okt.
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 2 Tagen
Sonntag, 5.10.
Es arbeitete in mir. Ich war ja den „falschen" Trail gelaufen, auch wenn der mir sehr gut gefallen hatte. Ich gebe so ungern auf bzw. lasse Dinge unerledigt, das ist nicht meins.
Ich beschloss also, früh aufzustehen und den Weg zum zumindest ersten Aussichtspunkt des Cerro Torre zu gehen; und den Einstieg machte ich kostenlos dort, wo der Weg früher begann, bevor sie angefangen haben, die argentinische Wirtschaft durch Verarsche von Touristen in Gang setzen zu wollen. Geheimtip meines Vermieters.
Um 8:00 und bei -5° zockelte ich los, die Pfützen und Bächlein waren gefroren, kein Mensch war unterwegs, die Sonne schien.
Ein herrlicher Morgen.
Ich fand den Weg noch schöner als den des Vortages, aber mindestens so anstrengend. Man muss über Felsen und große Steine krabbeln, Wurzeln übersteigen und Überflutungen umschiffen.
Nach vier Kilometern/1,5h erreichte ich mein Ziel. Tolle Aussicht.
An dem Punkt hatte ich Blut geleckt und wäre gern weiter gelaufen, aber: es sollte am späteren Mittag zuziehen und regnen (auch die nächsten Tage), dafür war ich nicht angezogen.
Ich hatte nur einen halben Liter Wasser dabei, einen Apfel und eine Handvoll Nüsse. Wenig für 8h wandern.
Ansonsten hätte ich es gemacht und doch noch eine Nacht dort verbracht.
Ich ging zum Bäcker, holte mir eine Empanada und fuhr los nach Gobernador Gregores.
Würde ich die letzten Tage neu planen können, würde ich nur eine Nacht in El Calafate verbringen, reicht völlig.
Gletscher anschauen und dann direkt nach El Chaltén, dort drei oder auch vier Nächte und wandern, auch die lange Strecke.
Aber los.
Die ersten 200Km lief alles prima, dann begann plötzlich eine Schotterpiste.
Nach 30Km hatte ich jegliche Hoffnung auf ein Leben ohne Rütteln aufgegeben.
Die nächsten 45Km gaben mir recht.
Es gibt so unterschiedliche Arten von Schotter, Kies, sandigem Geröll, man glaubt es kaum bevor man nicht das Vergnügen hat, all diese Untergründe zu befahren.
So wie die Schotten die meisten Wörter für Schnee haben, haben die Argentinier vermutlich die meisten für Schotter.
Meine Zähne sitzen nun spürbar lockerer.
Der Soundtrack dazu: Brazil.
Gobernador Gregores ist ein Beispiel für schwierige Routenplanung. Es gibt 300Km davor und danach nichts. Nichts!
Ich wollte nicht nach 3h wandern noch 600Km fahren, will ich sowieso nicht.
Und es gibt auch in diesem Ort keine einzige schöne Unterkunft, auch nicht für Geld.
Also buchte ich über Check24 das Zimmer über Silvanas Carport.
Als ich dort war, verhandelten wir neu, ich fand 20€ dafür eine Menge, wir einigten uns auf 15€. Immer noch zu viel. Cash natürlich.
Ich war ihre erste Mieterin. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass jemand gebucht hatte und starrte mich völlig verständnislos an, als ich klopfte.
Ich nutze den Nachmittag/Abend für eine grobe Planung der nächsten Tage bzw.
Wochen, um zu schauen, wie viele Tage ich auch mal länger verbringen kann und wann ich wo sein muss, um rechtzeitig wieder in Buenos Aires anzukommen.
Und was noch auf dem Weg attraktiv ist und auf meinem Wunschzettel steht.
Montag, 6.10.
Um 7:30 war ich unterwegs. 480 langweilige Kilometer, eine wirklich schlechte Straße mit Kratern, zwischen denen man den Asphalt suchen musste, ermüdend.
Dann kam ich in Rio Mayo an, ein wenig ansprechender Flecken.
Das Hotel war noch schlimmer.
Ich war der einzige Gast, der zuständige Typ führte mich vollkommen gelangweilt und desinteressiert zu einem unangenehm riechenden fensterlosen Zimmer mit Stahltür. Knast.
Ich habe sofort keine Luft mehr bekommen, entsetzlich.
Der Typ sprach nur spanisch, das Wifi ging nicht, ich machte ihm klar, dass ich dort nicht schlafen würde. Dass ich da nicht mal reingehen würde.
Der ganze Laden war schrecklich. Abgerockt, kalt, ungemütlich, ungepflegt, fleckig, es roch eklig.
Das war auch nicht, wofür ich bezahlt hatte (30€), das Werbebild und die Realität klafften in einem nicht mehr greifbaren Maße auseinander.
Diskussion darüber, sie wollten mehr Geld.
Ich dachte, „ihr müsstet mich bezahlen dafür, dass ich nicht die Rezension schreibe, die ich schreiben werde". Und die ich schrieb.
Granit also von meiner Seite, ich war schon ordentlich angepisst. Ich bekam ein anderes Zimmer. Von entsetzlich zu ganz schrecklich, immerhin.
Dann musste ich sofort da raus und fand, unglaublich insbesondere zu der Uhrzeit (14:30), ein offenes Restaurant mit einer netten Bedienung und einer Mieze.
Ich fragte, soll ich besser Zitronenhähnchen mit spanischen Kartoffeln oder Hähnchen Supreme mit Kartoffelpüree nehmen?
Supreme war die Empfehlung 🤢
Wenn ich solches Essen sehe, spüre ich unmittelbar sämtliche Symptome von Skorbut, meine Zähne sitzen gleich noch lockerer, Zitronenschnitz hin oder her.
Frittiertes 😝 Ungesalzenes, fast kaltes Pü.
Das Essen in diesem Land schmeckt mir bisher nicht besonders.
Das Lamm in Puerto Madryn war gut.
Und das Steak, das ich mir gegrillt habe.
Aber ansonsten... das Gebäck schmeckt fast immer nach Margarine, sie würzen kaum oder gar nicht, es gibt so wenig Obst und Gemüse/Salat, frisches Essen.
Ich finde keine Chilies, nichts Scharfes, Knoblauch gibt es nur den schon etwas zu trockenen, es war noch nirgendwo eine Limette zu erspähen.
Das getrocknete Chilipulver kann man auch pur löffeln, schmeckt nach nüscht.
Ich habe zwei „pikante" Saucen gekauft-die schmecken fast nur nach Essig.
Das Obst und Gemüse im Supermarkt hat keine gute Qualität, die Auswahl ist meistens überschaubar, sehr oft findet sich Schimmel.
Die Tomaten sind immer wässrig, gammelig, unreif, neutral.
Von sechs Äpfeln hat einer geschmeckt, es gibt zwei Sorten, rot und grün. Mit Birnen kann man Glück haben.
Die Avocados sind sehr gut!
Vieles ist teuer, teurer als bei uns.
Das Brot ist immer pappig.
Joghurt, ich habe bestimmt bald alle Sorten durch, ist immer schleimig und immer zumindest leicht gesüßt.
Kekse haben einen komischen Beigeschmack, Eis ebenfalls.
Nur die Milch ist super.
Käse schmecken fast alle gleich. Ich hatte Provolone, einen Gouda, eine Art Mozzarella, alles der gleiche neutrale Gummi.
Der französische Camembert von Carrefour war klasse, aber das zählt ja nicht.
Empanadas, ich traue mich kaum, das zu schreiben, sind einfach langweilig. Der Teig hat keinen Geschmack, die Füllungen sind Rinderhack, Huhn oder Schinken und Käse. In der Regel ebenfalls geschmacksarm.
Die Salamis (Fuet) waren okay, aber nicht besonders gut. Es gibt übrigens auch Guanako-Salami. Die muss man ja nur von den Zäunen pflücken.
Nach dem „Supreme“ lief ich eine Stunde fast alle Straßen ab. In einem Schreibwarenladen/Schuhgeschäft/Bekleidungsshop/Gemischtwarenladen auf 50qm war auch ein Western Union, da besorgte ich dringend nötiges Bargeld. 100€/ 177.400ARS, die ich kaum in meine Tasche bekam, weil sie mir 177 Scheine zu 1.000ARS gegeben hatte.
Dann saß ich zwei Stunden im Auto vor dem Hotel, habe meine nächsten drei Stationen/vier Tage weiter geplant und teilweise gebucht.
Scheibenwischwasser aufgefüllt. Gechattet über WhatsApp. Schokolade gegessen und Weintrauben.
Alles, um nur nicht in dieses Zimmer zu müssen.
Dienstag, 7.10.
Kurz hinter dem Ort begann die bis dahin schlimmste Strecke. Das, was von der Straße übrig war, war nicht befahrbar.
Hab ich noch nicht gesehen, so etwas.
Jetzt weiß ich was die Leute hier meinen, wenn sie vor der RN40 warnen.
Die LKWs und Autos fuhren auf einer schmalen, miesen Schotterpiste an der Seite, dort kam man immerhin etwas voran.
Ich brauchte für 50Km etwa 2,5h, das war sehr anstrengend.
Und ich fahre nicht zimperlich oder ängstlich, ich habe auch andere überholt.
Ich war wirklich abgegessen, frustriert und deprimiert.
Dann kam ich in einen Ort, der eine Tankstelle hatte. Der Tankwart war entzückend, ein netter Hund schnupperte ein freundliches Hallo.
Ich ging rein, es begrüßte mich eine orangene Mieze.
Hinter dem Tresen eine Espressomaschine. So etwas habe ich seit Ushuaia und davor Buenos Aires nicht mehr gesehen.
Die Tanke war auch ein kleiner Supermarkt mit Produkten aus der Region und es kamen immer wieder Leute rein, kauften eine Kleinigkeit, schwätzten nett, lächelten und gingen wieder.
Und dann noch die sympathisch lächelnde Frau, die bediente.
Ich beschloss, etwas zu bleiben. Es gab ein Leben jenseits staubiger Schotterpisten in der Wüste, abstoßender Unterkünfte und tot über dem Zaun hängender Guanakos, da wollte ich wieder rein.
Es gab einen Milchkaffee für mich, Mieze sprang sofort auf meinen Schoß und war dermaßen ausgehungert nach Zuneigung, sie kroch fast in mich rein, wir haben uns gesucht und gefunden
Danach sah ich aus wie ein Flokati, aber wie ein weitaus zufriedenerer Flokati als beim Betreten des Ladens, und bekam Klebeband, um die halbe Mieze zu entfernen von Jacke und Hose.
Von diesem Punkt an wurde der Tag deutlich besser. Die Landschaft wurde schön, es gab wieder Wasser und Bäume, es klarte auf, die Sonne kam raus.
Dazu gab es das Album 12 Golden Country
Greats von Ween.
Gene und Dean Ween haben zehn Studio-Alben produziert, von denen ich dieses und Chocolate&Cheese am besten finde.
Klasse Musik, super schräge Texte, leider haben sie sich getrennt.
Als fiktive Brüder haben sie sich an verschiedenen Musikrichtungen mit bekannten Musikern des jeweiligen Genres abgearbeitet, ziemlich gelungen, finde ich.
In einem kleinen See sah ich plötzlich viele pinkfarbene Flamingos stehen. Leider für die Handykamera zu weit weg:
Über die Straße trippelte ein kleines Gürteltier, kannte ich bislang nur von Fotos.
In den letzten Tagen gab es immer wieder Abschnitte, auf denen mir über 100Km niemand begegnet ist, kein Auto, kein Mensch.
Nur leere Weite.
Außerdem sind mehrere wilde Strauße wie aufgeregte Hühner kopflos hysterisch im Zickzack über die Straße getänzelt, es war zum Piepen. Einen habe ich erwischt, leider auch wieder etwas unscharf:
Ich sehe hier auch viele Gauchos in ihrer typischen Kleidung samt großer Baskenmütze über die Steppe reiten, fast immer umgeben von einer Meute Hunde.
Es reiht sich eine Estancia an die nächste, die Grundstücksflächen müssen gigantisch sein.
Nach gut 400Km kam ich gegen 15:30 in Esquel an.
Die Stadt ist nicht nur hübsch, sondern auch sehr schön gelegen, umgeben von Bergen ohne bedrückend zu wirken.
Ich fuhr eine sehr enge und steile Straße an einem Hang hoch, um mir das aus einer anderen Perspektive anzuschauen und kam kaum wieder zurück.
Es gab keine Möglichkeit, zu wenden und das war die kniffligste Dreipunktwendung, die ich je gemacht habe. Obwohl , da war noch eine in Irland 🤔
Gottseidank gibt es Servolenkung! Zwischendurch dachte ich, das war's, hier stecke ich endgültig fest.
Aber, mit Geduld und Durchatmen ging es dann natürlich doch.
Sonne, frühlingshafte Brisen, Butterblumen und knospende Bäume. Bürgersteige und Gras. Schön.
Mein Appartement war nett. Ich machte mir zuerst etwas zu essen, hatte bis dahin nur ein paar Kekse, dann duschen und ich war wieder ein Mensch und deutlich besserer Stimmung.
Ich fuhr ins Zentrum, das gab es dort, und es tauchten all die Läden wie von Zauberhand auf, die ich brauchte.
Eine Spezialität von dort sollte Schokolade sein, ich habe ein bisschen probiert und fand sie nicht toll. Okay, eher wie bei uns gute Adventskalenderschoki.
Die Schotterstraßen hatten meinen gesamten Vorrat an Schutzdingsis für die Handykamera durch Abstürze aufgebraucht, alle zersplittert, hier bekam ich ein teures neues.
Ich habe meinen Stanley-Becher zu Hause vergessen und vermisse ihn schmerzlich, besonders an Tagen wie diesem.
Es gab keinen wirklich adäquaten Ersatz, aber in einem Outdoorladen etwas, was dicht ist, ich durfte mit Wasser probieren, und vom Funktionsprinzip und der Größe dem entspricht, was ich wollte. Zudem bezahlbar.
Ich habe es auch noch von 29.400 auf 22.000
(12€) runtergehandelt.
Eigentlich kann man fast alles verhandeln, finde ich raus, auch in Geschäften und bei Dingen, an denen ein Preisschild klebt.
Dann kuschelte ich mich aufs Sofa, guckte, wie es nach der übernächsten Station weitergehen könnte und genoss es, nicht in so einer schauderhaften Umgebung zu sein.
Mittwoch, 8.10.
Heute wurden es nur knappe 300Km, die Landschaft wurde richtig schön, es gab zunehmend Seen, Bäume, grünes Gras und blühende Pflanzen.
Ich sehe deutlich, dass ich mich Richtung Norden wieder in wärmere Gefilde bewege.
Die gut erhaltene Holzhütte, in der Butch Cassidy und Sundance Kid nach ihrer Flucht aus den USA lebten, ließ ich aus.
Auf dem Weg lagen zahlreiche Forellenzuchten und -räuchereien.
Forelle wird hier auch als Dosenfisch verkauft.
In (San Carlos de) Bariloche steuerte ich zunächst die Seilbahn an und gondelte hoch zum Cerro Campanario, für 11€ (20.000ARS. Nach einer Rezension auf Google hat das vor einem Jahr noch 5.000 gekostet).
So einen beeindruckenden, wunderschönen Blick hatte ich selten in meinem Leben.
Meine nächste Unterkunft war nur 5min entfernt, schnell noch in einen Supermarkt und dann Essen gemacht.
Morgen fahre ich die berühmte Route der sieben Seen und bleibe dann mal zwei bis drei Tage an einem Ort.
- Charlotte Tina
- 4. Okt.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Okt.
Freitag, 3.10.
Los bei tollem Licht:
Von El Calafate zum Nationalpark sind es knappe 50Km, im Park selbst noch mal 27Km bis zum Gletscher Perito Moreno, das dauerte circa 1,5h.
Dieser ist wohl der einzige Gletscher weltweit, der kontinuierlich wächst. Kein Mensch weiß, weshalb.
Er erstreckt sich über 30Km (😳), seine Kalbungsfront (die 2,3Km breit ist), also die Eisfront über der Wasserlinie, ist bis zu 77m hoch.
Wahnsinn.
Es soll hier in der Region um die 50 Gletscher geben, aber dieser ist besonders gut zugänglich.
Eintritt zum Nationalpark waren 27,43€.
Die Strecke im Park ist sehr schön, ich musste besonders vorsichtig fahren, weil so viele Hasen munter über die Straße hoppelten.
Es waren kaum Autos unterwegs oder Menschen, mein Wagen war der einzige auf dem Parkplatz.
Ein Kleinbus bringt einen im 15min-Takt weiter nach oben zum Zugang zu den sogenannten Walkways; metallene Laufwege, die in vier Schwierigkeitsgrade unterteilt sind.
Ich entschied mich für den roten, den längsten, mit den meisten zurück zu legenden Höhenmetern.
Diese Wege führen streckenweise durch waldiges Gebiet und ab und an findet sich eine Aussichtsplattform samt Bank.
Man pirscht sich immer weiter nach vorne und unten vor.
Ich begegnete während meiner 2,5h dort vielleicht 25-30 Menschen, es war wirklich leer, was für ein Glück, wie meistens, wenn ich reise 🙂
Vier dieser wenigen Menschen waren junge Norweger, von den Lofoten. So nett! Wir haben uns ziemlich lange und angeregt unterhalten und währenddessen kalbte ein Stück des Gletschers.
Nun habe ich nur das Ende auf Video, tut mir leid. Es sah erstaunlich aus, nur das Handy war nicht so schnell einsatzbereit 🙈Man hört entzücktes lofotisches Lachen, in der Bildmitte sortiert sich das Eis im Wasser. Unspektakulär, aber alles, was ich zu bieten habe.
Danach lief ich noch zu einem anderen Stück Ufer des Lago Argentino, bevor ich mich auf den Rückweg machte.
Ich fuhr ohne Navi, bog spontan ab nach Puerto Bandera, einem winzigen Ort am See, an dessen Ende auch die Straße aufhörte.
Die Landschaft war traumhaft schön, mir begegnete kein Mensch, kein Auto.
Kühe grasten auf pastellkreidegelben Wiesen, der Lago Argentino hatte die unwirkliche Farbe von kalkigem Türkis, die Hänge der Berge unterhalb der Schneegrenze waren rostbraun-grün.
Ich wollte eigentlich weiter nach Norden fahren am Samstag, aber Dirk setzte über WhatsApp Energie in seine Überzeugungsarbeit, dass El Chaltén und sein Berg, der Fitz Roy, zu den schönsten Flecken der Erde gehören. So habe ich es zumindest (falsch) verstanden.
Später stellte sich raus, dass er vom Cerro Torre sprach, andere Seite, erster Abzweig. Lange, aber leichte Wanderung.
Aber das ist dann, wie es ist 🤷♀️
El Chaltén ist 230Km entfernt, davon 80Km Sackgasse. Es ist das argentinische Eldorado des Trekkings.
Ich bin absolut unerfahren im Wandern, habe eine miese Kondition, Arthrose und Corona-Nachwehen, also mir ist klar, dass es völlig unrealistisch ist, eine anspruchsvolle Wanderung über 22,5Km über 7-9h zu machen.
Das wäre die bekannteste Strecke des Landes zur Laguna del Tores, die unglaublich schön sein soll.
Ich habe mich also anfixen lassen, eine Unterkunft gebucht und, da vom Ort aus zahlreiche Wanderwege losgehen, einen eher passenden ins Auge gefasst.
Das schrecklich pappige Brot hier nervt mich, also habe ich, es gibt im Supermarkt ausschließlich Weizenmehl, zumindest Vollkornmehl gekauft, Soda und einen Naturjoghurt um eine Variante des irischen Sodabrotes zu backen. Buttermilch war bei La Anonima nicht aufzutreiben, also Joghurt und Milch mischen und einen kleinen Teelöffel Essig an den Teig.
Den rührte ich schnell nachts an, weil ich wieder mal nicht schlafen konnte.
Das Ergebnis war super, knusprig, innen dicht, aber saftig und fluffig.
Leider schmeckt Sodabrot nur am ersten Tag wirklich gut, dann kann man es aber noch gut toasten.
Samstag, 4.10.
Raus aus den Federn, Kaffee angesetzt und das Brot für eine halbe Stunde in den Ofen geschoben, derweil zusammengepackt und dabei den Duft genossen, der durch das kleine Appartement zog.
Dann ging es los nach El Chaltén. Eigentlich ein winziges Nest, das fast nur aus Unterkünften für Touristen besteht und wo überall gebaut wird, um noch mehr von uns unterbringen zu können.
Mein Appartement, wieder ein Last Minute-Schnäppchen über booking, war um 11:00 schon fertig, sehr schön und gemütlich, ich unterhielt mich nett mit dem Betreiber und entschied mich dann doch um, für eine für meine Voraussetzungen anspruchsvollere Wanderroute, Richtung Fitz Roy.
Ich fuhr zum Beginn des Pfades, dort wartete ein Kassenhäuschen.
45.000ARS, also 27€, sollte das Betreten der Wanderwege kosten.
Weil ich gestern im Nationalpark der Gletscher war, musste ich „nur“ 50% zahlen.
Im Nachhinein muss ich sagen, dass das unverschämte Abzocke ist.
Es gibt keine Bänke, Toiletten, Mülleimer, Geländer, Schutzhütten, jar nüscht. Nur den Trampelpfad, den Generationen von Touristen ausgetreten haben, auf großen Teilen quasi geflutet von Bächlein und Rinnsalen und nicht begehbar, Matschfelder.
Meine Schuhe sind erstaunlich eingesaut.
Aber ungefähr zehn alte hölzerne Schilder gibt es.
Am Perito Moreno gab es eine Infrastruktur, da war es nachvollziehbar. Hier sitzt nur jemand und kassiert für Nichts.
Auch die enorme Differenz im Preis von Einheimischen zu Touristen empfinde ich als unverschämt.
Ich hatte mich für die Laguna Capri als Ziel entschieden, 4Km einfache Strecke, der Beginn des Weges zum Fitz Roy.
Das war anstrengend!!!
Es ging wirklich steil bergauf über Stock und Stein, durch den fiesen Matsch, ich habe Dirk mehrfach verflucht, völlig zu Unrecht 🤣 und mich natürlich.
Die Norweger begegneten mir gegen 12:30 wieder.
Sie waren nachts um 2:30 aufgebrochen, hatten insgesamt 2,5h Pausen gemacht und waren zu diesem Zeitpunkt 1/2h vom Parkplatz entfernt und fix und alle.
Und das sind 25jährige, die topfit sind und regelmäßig wandern.
Gottseidank habe ich mir nicht die lange Strecke vorgenommen.
Aber es gab unglaubliche Panoramen und als ich meine Stulle am See futterte, war ich doch ganz zufrieden mit mir und der Welt und dem Blick auf den Berg, den See mit der kleinen Insel in der Mitte und der Spiegelung all der Schönheit im Wasser.
Das war auf knapp 800 Höhenmetern.
Im Boden dort waren stäbchenförmig gefrorene Eisstücke, so etwas habe ich noch nie gesehen.
Ich lief noch etwas weiter, aber der Weg war geflutet, das machte keinen Spaß.
Also die 4Km zurück.
Ich saß noch eine ganze Weile in der Sonne und starrte in dieses gigantische Tal mit dem in der Sonne glitzernden Fluss.
Ich war ausnahmsweise mal ziemlich unterzuckert, also stürmte ich den örtlichen Bäcker. Hier gibt es Alfajores mit Fruchtfüllung als lokale Variante, sehr nett.
Und ein weiteres schönes Etikett lief mir über den Weg.
Dann zur Tankstelle, es hatte nur eine geöffnet, eine Containertanke, und die soll angeblich Sonntags geschlossen sein. Also vorsichtshalber voll getankt.
Und dann: Kaffee, süsse Teilchen, Sofa, Blog schreiben…
Und einen einfachen Salat; Tomaten, Zwiebeln, Mais. Hand ist noch dran.
Morgen geht es weiter in den Norden.
- Charlotte Tina
- 3. Okt.
- 5 Min. Lesezeit
Dienstag, 30.9.
Ich war etwas traurig, Ushuaia zu verlassen; aber es wartet noch die Westseite des Landes auf mich entlang den Anden und einige tausend Kilometer Strecke.
Ich trödelte bei immer schöner werdendem Wetter, pfeifend kalt aber sonnig, über den Pass, frühstückte mit Panoramablick ein Müsli, alles wunderbar.
Ich sah nach Tolhuin wieder viele Guanakos in verschiedenen Zuständen.
Ungefähr 500m vor dem Ortsschild Rio Grande, gegen 12:00, fuhr ein LKW an mir vorbei, ich sah den Stein fliegen und dann krachte er mit lautem Wumms in meine Windschutzscheibe und durchschlug sie fast.
Auf meiner Seite innen fielen Glassplitter. Was für ein Schreck!
Und was für ein Glück, dass ich superPremium versichert bin… Auch wenn ein Versicherungsfall immer bedeutet, dass die versuchen, sich rauszuwinden und es nervig und langwierig wird.
Der Vermieter verwies natürlich als erstes darauf, dass ich über sie hätte versichern sollen, die gleichen Punkte (Reifen, Unterboden, Glas) ein zweites Mal. Na sicher🙄
Aber er gab mir auch schnell Adressen durch von Werkstätten, die solche Schäden bearbeiten, immerhin. Obwohl ich geschrieben hatte, wo ich sei, zunächst für Ushuaia, nachdem ich erneut schrieb, Rio Grande, dann tatsächlich für den richtigen Ort.
Ich suchte mir einen nach Entfernung aus, Dr. Resin, und traf dort auf Hugo, 33, ein Schatz.
Er hatte die Scheibe nicht da, fragte aber bei mehreren Kollegen an in der Stadt und nach 1,5h kam eine Antwort, einer hatte sie.
Wenn nicht, hätte ich einen weiteren Tag in Rio Grande verbringen müssen. Das will man nicht, glaubt mir.
Wir fuhren mit seinem Pickup los, luden die Scheibe auf und dann machte er sich daran, sie auszutauschen.
Ich spazierte in eisig tosendem Wind umher, aber dort ist es wirklich trostlos. Die Kälte ist hier kälter als bei uns. Wie auch immer das geht.
Ein Mädchen lief im TShirt rum 🥶Ich kam an einem Geschäft mit festlicher Kleidung vorbei und fragte mich, zu welchem Anlass hier ein solches Kleid getragen werden mag.
Ich kaufte eine Flasche Wein für Hugo, weil er mir so nett, schnell und engagiert half.
Zu 19:00, nach umständlichen Änderungen (wer glaubt, die deutsche Bürokratie sei schlimm, hat die argentinische noch nicht erlebt) an der Rechnung (sie werden jede Kleinigkeit nutzen, um sich vor der Zahlung zu drücken, also muss man antizipieren, was das für Punkte sein könnten) waren wir fertig.
Der Endbetrag waren 295€. Keine Ahnung, was so etwas sonst kostet, fand ich eher günstig. Hugo hatte auch einen Preis bei Toyota angefragt, die hätten das Vierfache haben wollen.
Die Scheibe wird mit einem Kleber eingesetzt, der aushärten muss über mehrere Stunden.
Also fuhr ich sehr vorsichtig und langsam einen Umweg zur Unterkunft, mit möglichst wenigen Erschütterungen (Bodenschwellen und Schlaglöcher, von denen es nun schon einige gibt). Merke: auch argentinische Autofahrer hupen aggressiv, wenn sie genervt sind 😎
Dort nahmen mich Liliana und Pedro in Empfang und waren entzückend. Ich bekam sogar vier Eier geschenkt und wurde morgens mit Küsschen verabschiedet, dafür standen sie extra früher auf.
Die beiden haben mich berührt, so liebe Menschen.
Was für ein Tag! 7 Stunden hatte mich der kleine Stein gekostet, aber es lief ja alles gut.
Ich musste noch eine Unterkunft in Rio Gallegos finden und buchen, hatte auch Glück mit einem Haus für 21€.
Bin gespannt. Ich rechnete damit, dass ich nach knapp 400Km, vier Grenzkontrollen und einer Fährfahrt nur ins Bett kippen wollen würde.
Mittwoch, 1.10.
Nicht viel zu berichten. Der Wind war so stark, dass ich zwei Mal nicht aus dem Auto kam (ich habe die Tür nicht geöffnet bekommen, wollte aber nur für ein Foto nicht rangieren) und die Fortbewegung auf zwei Beinen sehr problematisch wurde.
Ich kramte in meiner Mediathek und kam, old fashioned, auf den Soundtrack von Harold
& Maude (ich liebe den Film) von Cat Stevens.
Klassische Roadtrip-Musik, finde ich.
Ich musste zwei Stunden auf die Fähre warten, vermutlich durch den Wind waren sie in Verzug. Da dort nichts ist außer einem seltsamen leeren Gebäude mit, immerhin, Toiletten, saßen alle im Auto bzw. LKW.
Der Wind beutelte die Fahrzeuge.
Ich stelle es mir problematisch vor, wenn die Fähren den Betrieb einstellen. Sturm, Maschinenschaden, was auch immer, dann müsste man ja 160Km zur nächsten möglichen Unterkunft zurück fahren und durch die beiden Grenzkontrollen 🥺🤔
Theoretisch fährt alle 30min ein Schiff auf jeder Seite, Punta Delgada und Bahia Azul.
Für diese Tour habe ich 19,53€ bezahlt.
Auf der anderen Seite war der Wind genauso heftig.
Vier Grenzstationen später war ich dann zurück in Argentinien, ging einen Einkauf machen (jetzt darf ich mein Obst und Gemüse ja wieder behalten) und fuhr zum Haus. Tageskurs 18€.
Musste man mögen. Ich mochte es nicht. Eine Nacht🤷♀️
Den Abend verbrachte ich mit dem braten eines Lammsteaks und der Suche nach einer netten Unterkunft in El Calafate.
Donnerstag, 2.10.
Obwohl ich mich in dem Haus nicht wohl fühlte, habe ich auf der festen Matratze erstaunlich gut geschlafen.
7:00 Kaffee und schnell weg da.
Über Nacht waren im vorderen und im rückwärtigen Garten Flutlichtscheinwerfer an, kuschelig.
Aber das ist ein typisches Haus, wie ich es immer von der Straße aus sehe und einen ersten Eindruck hatte ich in Las Grutas, als ich eine Tasche suchte und in dem Haus einer Familie war.
Ich brach auf nach Nordwesten und bei Esperanza kam ich auf die RN40, der ich nun etwa 2.700Km folgen werde.
Um mich herum nichts als Steppe, wie fast überall übersät mit Plastiktüten, sehr hellblauer Himmel, Sonne, 7-8°, irgendwann vor mir plötzlich eine Nebelwand.
Ich dachte mir zunächst nichts Böses, dann hatte sie mich plötzlich verschluckt.
Innerhalb von Minuten sank die Temperatur auf 0- -1°, um mich herum Schnee, die Straße voller Schneematsch, schlechte Sicht.
WTF?!
Das war mal ein schneller Wetterwechsel!
Ich schaltete die Warnblinker an, weil ich mit diesen Reifen langsam fuhr und nicht wollte, dass mir ein Pickup reinrauscht.
Andere, entgegenkommende Fahrer handhabten das teilweise genauso.
Die Strecke war gefühlt lang, tatsächlich etwa eine Dreiviertelstunde mit 20-40Km/h.
Dann zog jemand den Vorhang auf, Straße trocken, Sonne, blauer Himmel, 6°.
Das war schräg.
Wie üblich hielt die Gendarmerie mich an, fragte nach meiner Herkunft und meinem Ziel, dann war ich in El Calafate.
Der Ort lebt vom Gletscher Perito Moreno und ist extrem touristisch.
Viele Souvenirläden mit allerdings hübschen Dingen, völlig überteuert, auch bei uns wären die Dinge zu hoch bepreist.
Eine Hauptstraße voller Restaurants und Läden, in der Mitte der Straße Bäume. So habe ich das im Land bislang noch nicht gesehen.
Zur Abwechslung hatte das mal was und erinnerte eher an Europa.
Eigentlich wollte ich essen gehen, Angebot und Preise sagten mir aber nicht zu, also kaufte ich ein für Bolognese und fuhr zu meiner Unterkunft, die ich nach dem Haus sehr sorgfältig ausgesucht hatte, mit einem großen Bedürfnis nach Gemütlichkeit und einem hohen Wohlfühlfaktor. Bietet sie.
43€ für El Calafate und den Standard finde ich völlig okay.
Eigentlich wollte ich faul sein, aber nach dem Essen hatte ich schon wieder Hummeln im Hintern.
Nicht weit entfernt war ein kleines Vogelreservat, die Reserva Laguna Nimez.
Was Vögel angeht, bin ich weniger auf der ornithologischen, als vielmehr auf der Disney-Seite angesiedelt.
Groß, rosa, steht auf einem Bein und ist nicht aus Stoff? Nett.
Auf diesem Areal kostete ein ausgeschilderter Spaziergang über drei Kilometer 12.000ARS/7€, was schon sehr üppig ist.
Aber El Calafate ist eine der meistbesuchten Städte des Landes wegen der Gletscher, klar, sie können, also tun sie es.
Am Strand des Lago Argentino und in einem Teil der Lagune waren, tadaaaa, Flamingos unterwegs. Ich pirschte mich an, aber meine indianischen Fähigkeiten sind ausbaufähig.
Ich habe gelernt, dass Jungtiere weiß sind, wie die hier fischende Teenagerhorde.
Ich sah auch wieder das Vogelpaar, welches (nicht genau dieses natürlich) mich seit vielleicht 2.000Km oder mehr begleitet.
Die treten ausschließlich als Paar auf, seltenst in einer Gruppe, wenn, dann mit reichlich Abstand zwischen den Paaren.
Wenn ich diese beiden Vögel sehe, dann muss ich immer an eins meiner Lieblingsgedichte von Mascha Kaléko denken, Ich und Du
Morgen geht es zum Perito Moreno Gletscher!